: Spandau freut sich auf einen Gegner
Seit 1979 wird Spandau 04 regelmäßig deutscher Wasserballmeister. Am Wochenende haben sich die Wasserfreunde wieder fürs Finale qualifiziert. Dort treffen sie auf Canstatt. Erstmals seit Jahren ist der Sieg keine Selbstverständlichkeit
von Johannes Kopp
Vor Spielbeginn sahen die Wasserballer vom SV Bayer 08 Uerdingen so aus, wie man sich einen Sparringsgegner nur wünschen kann: In ihren flauschigen himmelblauen Bademänteln wirkten sie nett und harmlos. Formal betrachtet waren die Uerdinger zwar kein Sparringspartner, sondern der Halbfinalgegner der Wasserfreunde Spandau 04 im Kampf um die deutsche Meisterschaft. Doch der Konkurrenzgedanke konnte sich am Samstag kaum bei einem der etwa 80 Zuschauer einstellen. Sie sind auf dem Weg zum Freibecken am Olympiastadion eher der Gewohnheit als der Neugierde gefolgt. Schließlich deklassierten die Spandauer dasselbe Team bereits im ersten Halbfinalspiel vor deren Publikum mit 15:3.
Auch am Samstag gewannen nach anfänglichen Mühen erwartungsgemäß die Berliner souverän mit 11:5 (1:1, 4:1, 3:1, 3:2) und zogen mit dem zweiten Erfolg ins Finale gegen den SV Cannstatt ein. Beim Publikum und Berliner Trainer, Peter Röhle, konnte der Sieg dennoch kaum Freude erzeugen. Finaleinzüge sowie deutsche Meisterschaften werden bei den Wasserfreunden als selbstverständlich erachtet. Seit 1979 wurden die Spandauer, bis auf eine Ausnahme im Jahre 1993, immer deutscher Meister.
Die letzten Titelgewinne haben den Erfolgsverwöhnten nicht mehr so recht geschmeckt. Ähnlich wie beim Wein werden die verschiedenen Jahrgänge nach Güte und Besonderheit verglichen. „In den letzten drei Jahren war es in der ersten Liga langweilig“, bilanziert Trainer Röhle. Vergangene Saison, erinnert er sich, sei die Stimmung auf der Meisterschaftsfeier erschreckend gewesen. Man verabschiedete sich recht emotionslos voneinander – nach dem Motto: „Nun haben wir eben wieder mal gesungen.“ Für dieses Saisonende jedoch stellt sich Röhle eine richtig ausgelassene Feier vor. Mit dem Finalgegner SV Cannstatt ist den Berlinern nämlich ein ernsthafter Konkurrent erwachsen. In der Liga munkelte man bereits vor der Saisonbeginn vom Ende der Vorherrschaft Spandaus: Nur die Hälfte der Trainer glaubte, was ein gutes Vierteljahrhundert eine Art Naturgesetz war: Spandau wird Meister.
Tatsächlich gewannen die Cannstatter im direkten Duell beide Begegnungen und gingen als Erster in die Play-offs. Berlins Wasserballer lernten das Gefühl der Niederlage kennen – erstmals seit dreieinhalb Jahren. Das habe sein Team völlig aus dem Tritt gebracht, sagt Trainer Röhle. Außerdem gelang es der Mannschaft nicht, den Abgang von zwei Leistungsträgern der vergangenen Saison, Gabriel Hernandez und Sören Mackeben, zu kompensieren. Das freut nicht nur die gesamte Liga, sondern auch Röhle macht die Arbeit unter Konkurrenzdruck wesentlich mehr Spaß, wie er sagt. Im Unterschied zu früheren Spielrunden hatten die Halbfinalpartien gegen Bayer Uerdingen wirklichen Vorbereitungscharakter, weil im Finale erstmals ein ehrgeiziger und angstloser Herausforderer wartet.
Deshalb ertrug es Röhle am Wochenende trotz komfortabler Zwischenstände kaum, wie verschwenderisch sein Team mit seinen vielen Chancen umging. Vor seinem inneren Auge kraulten wohl anstatt der Uerdinger die Cannstatter Wasserballer, welche solche Fahrlässigkeiten für gewöhnlich hart bestrafen. Das übernahm vorerst der Trainer am Beckenrand. Röhle geriet völlig außer sich, wurde zum Wüterich, beschimpfte und attackierte seine eigenen Spieler.
Nach dem Schlusspfiff gab er sich wieder gelassen. Die Mannschaft verspüre nach dem Pokalsieg gegen Widersacher Cannstatt Auftrieb, berichtet er. Er glaubt an den nächsten Meistertitel. „Wir müssen uns nur auf uns konzentrieren. Um Canstatt kümmern wir uns nicht“, erklärt Röhle. Wenig später gibt er allerdings doch zu bedenken: „Die Canstatter haben die Not, noch nie ein Finale gewonnen zu haben.“
In Berlin sehnt man sich derzeit nach einem Titel, der erstmalig als überraschend gewürdigt und gefeiert werden soll. Hagen Stamm, die Wasserballikone der 80er-Jahre, heute in Doppelfunktion als Spandauer Vereinspräsident und Nationaltrainer tätig, räumt zwar ein, dass man über die bessere Breite im Kader verfüge. Sein Favorit für die am 15. Juni in Berlin beginnende Finalserie sei aber Cannstatt.