: Sozialstiftung will Lohn zurück
■ Therapeutin soll der Hans-Wendt-Stiftung 114.000 Mark zurückzahlen
Wenn jemand gekündigt worden ist und vor dem Arbeitsgericht in erster Instanz gewonnen hat, dann muß er sehr aufpassen. Denn aus seinem „auflösungsbedingten Arbeitsverhältnis“ kann schnell ein „bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch“ erwachsen.
Was das bedeutet, erfährt gerade die Therapeutin Anne Albers. Am 21. Februar teilten ihr die Anwälte der Sozialstiftung ihr mit, sie möchte 114.736 Mark 90 Pfennig an die Stiftung überweisen und setzten eine Frist bis zum 4. März 1994. Diese Summe hatte die gekündigte Anne Albers als Arbeitslohn in den 14 Monaten zwischen ihrem Erfolg in erster Instanz und ihrer rechtlichen Niederlage in der zweiten Instanz bezogen: Das Arbeitsgericht hatte die Kündigung am 1.10.91 als ungerechtfertigt zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht hatte dann im Januar 1993 die Kündigung für rechtens erklärt.
Durch diesen Zahlungsanspruch sieht sich die 57jährige Frau ruiniert: „Es ist völlig aussichtslos, in meinem Alter eine angemessene Arbeit zu bekommen.“ Die Hans-Wendt-Stiftung will den Anspruch per Gericht durchsetzen.
Wenn Anne Albers normal weitergearbeitet hätte, wäre der Lohn dafür keine Streitfrage. Das Bremer Sozialressort, Auftraggeber der Stiftung, hatte die Entlassung wegen ihrer mangelnden Kooperationsfähigkeit erzwungen. Nach ihrem Erfolg vor dem Arbeitsgericht hatte Albers ihr Interesse an angemessenen Tätigkeiten in der Stiftung mehrfach angemeldet. Das hatte die Stiftung aber abgelehnt, der damalige Stiftungs-Geschäftsführer Strunk hatte ihr dafür das „Angebot“ gemacht, etwas über sozialschwache Familien zu schreiben. Sie sollte auf Tonband diktieren, er wollte dann entscheiden, ob eine Sekretärin das tippen müßte, empört sie sich noch heute. Sie hatte das als reine Beschäftigungstherapie abgelehnt. Für die Themenwahl hatte sie gestern vor dem Arbeitsgericht eine schlagende Erklärung: „Der Strunk wollte darüber seine Doktorarbeit schreiben“, eine „kumulative“ aus verschiedenen kleineren Aufsätzen, was er inzwischen getan habe. Andreas Strunk, inzwischen auch von der Stiftung gefeuert und mit der Forderung nach einer Abfindung über 100.000 Mark vor Gericht, bestreitet dies.
Gestern ging es in einer dreistündigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am Rande um die Rückzahlungsforderung, eigentlich aber um das Zeugnis, das die Stiftung ihrer Mitarbeiterin ausgestellt hatte. Anfang der 80er Jahre war Anne Albers sogar im dreiköpfigen Leitungsgremium der Stiftung. „Zehn Tage nachdem ich aus der Leitung entfernt worden war, hat der Verwaltungsleiter Ziebarth mit seinen Unterschlagungen angefangen“, sagt Anne Albers heute. Durch diese Geldschiebereien geriet die Stiftung in die Schlagzeilen und wurde Gegenstand eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geworden, der insbesondere die fehlende Selbständigkeit der Stiftung gegenüber dem Sozialressort monierte.
Über ihre Leitungstätigkeit, über die Umstände, unter denen sie auf Zwei/Drittel gehen mußte und über zwei Dutzend andere Details wollte sie deutlichere Worte in ihrem „Zeugnis“ lesen. Zu einem regelrechten Streit kam es um die Frage, ob sie nur „zu unserer Zufriedenheit“ zwölf Jahre bei der Stiftung gearbeitet hatte oder immerhin - wie es schließlich nach zweieinhalbstündiger Verhandlung in einem Vergleich herauskam - „insgesamt zu unserer vollen Zufriedenheit“ .
Die Prozeßparteien gingen auseinander in der Gewißheit, daß sie sich demnächst wiedersehen – dann allerdings im Streit um die Rückzahlung von 114.000 Mark Lohn. K.W.
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