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Archiv-Artikel

Sozialsenatorin unter „friendly fire“

Kritik an Sozialsenatorin Röpkes Bundesratsinitiative zur Kürzung von Sozialhilfe an Asylbewerber war nach internem Vorspiel offenbar zu erwarten: Schon vor zwei Wochen habe SPD-Fraktionschef Böhrnsen das Vorhaben scharf kritisiert

Von ede

bremen taz ■ Beim Koalitionspartner CDU wertet man die ungewöhnlich scharfe und öffentliche Kritik des SPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen an SPD-Sozialsenatorin Karin Röpke schon als „Stellvertreterkrieg“. Es gehe in Wahrheit wohl weniger um die – ohnehin fast aussichtslose – Bundesratsinitiative aus dem Haus der Sozialsenatorin, wonach auch geduldete Flüchtlinge künftig weniger Sozialhilfe bekommen sollen (taz berichtete). Im Vordergrund stehe doch eher, dass SPD-Chef Böhrnsen im Hinblick auf die Frage der Amtsnachfolge von Bürgermeister Henning Scherf Profil zeigen wolle – gegen eine starke Mitbewerberin Karin Röpke.

So erklären sich christdemokratische Beobachter die harten Worte Böhrnsens von dem „nicht nur schäbig, sondern auch schädlich“ wirkenden Vorstoß der Parteikollegin. Röpke unterdessen steckt in der Finanzklemme. Sie will ihren Haushalt mit diesem Schritt um jährlich rund 1,5 Millionen Euro entlasten. Allein in diesem Jahr muss das Sozialressort eine zusätzliche Summe von 8,5 Millionen Euro einsparen. Im kommenden Jahr sind es weitere 5,5 Millionen Euro. Woher das Geld dafür genau stammen soll – und welche Posten dafür gestrichen werden müssen – ist bislang „noch in Arbeit“, heißt es. „Wie die Senatorin diese Summen aufbringen will, ist mir noch unklar“, sagt der CDU-Sozialpolitiker Karl Uwe Oppermann. Und: Augenscheinlich erleichtere SPD-Fraktionschef Böhrnsen ihr diese Aufgabe derzeit nicht.

SPD-Fraktionssprecher Martin Prange sprach gestern, einen Tag nach dem Angriff Böhrnsens auf Röpke, unterdessen betont nüchtern von „einem Streit in der Sache“. Es gehe vor allem um die Haltung Röpkes in Bezug auf die Asylbewerber. Ein Thema, „mit dem ungute Stimmung und ein schlechtes Klima in Deutschand gemacht wird“ – wie auch andere Sozialdemokraten meinen. Prange besteht darauf, dass – anders als von der Senatorin behauptet – in der Koalitionsvereinbarung nichts davon stehe, dass künftig auch geduldete Flüchtlinge, die wegen Krieges in der Heimat oder anderer nicht selbst verschuldeter Umstände eine Duldung haben, weniger Geld als den Sozialhilfesatz zum Leben bekommen sollen.

Diese Unterscheidung lege doch schon das im Text verwendete Wort „Asylbewerber“ nahe, findet auch der SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen. Er war im vergangenen Jahr an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Jetzt ergänzt er: „Wir wollten niemals, dass Bremen auch noch Vorreiter bei solch einer Bundesratsratsinitiative wird.“ Deshalb habe der Passus ja gelautet: „Um die Kosten der Hilfen für Asylbewerber zu begrenzen, wird zusammen mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative vorbereitet, um die Leistungen für Asylbewerber bei längerem Aufenthalt abzusenken.“ Doch hätten die SPD-geführten Länder ja abgewunken, an dieser Initiative mitzuwirken.

Die Fraktionsspitze verfolgte diese Entwicklung – wie auch die Absicht des Sozialressorts, auf Kosten der Flüchtlinge zu sparen. Dies war offenbar zuletzt vor zwei Wochen Thema. Am 26. April, bei einer Vorbesprechung zu einer Senatssitzung, habe der SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen die Pläne der Sozialsenatorin deshalb unmissverständlich abgelehnt. „Böhrnsen hat deutlich gesagt, dass er das Vorhaben des Senats vom Inhalt her für falsch hält“, erklärte gestern Fraktionssprecher Prange das Verhalten des Fraktionschefs. Böhrnsen weilt noch bis Mitte der Woche auf einer Reise in Israel.

Ganz überraschend kann die öffentliche Kritik Böhrnsens für die Sozialsenatorin deshalb kaum gekommen sein. Dennoch äußerte diese sich gestern „verwundert“. Aus allen Vorlagen für den Senat und die Sozialdeputation seien die Pläne seit Monaten ersichtlich gewesen. „Und vor dem Hintergrund des enormen Spardrucks war die Initiative immer wieder Gegenstand der Koalitions- und der Haushaltsberatungen“, so Röpke. Sie habe keine Signale erkannt, dass die SPD-Fraktion die Gesetzesinitiative nicht mittragen wolle. Vor diesem Hintergrund sei „die Kritik des SPD-Fraktionsvorsitzenden unverständlich und nicht akzeptabel.“

SPD-Parteikollegen werten die Aktivitäten des Sozialressorts unterdessen auch als einen strategischen „Entlastungsangriff“, bei dem es vor allem darum gehe, Härte und Sparwillen zu signalisieren. Vor dem Hintergrund der rot-grünen Querelen in Berlin um das Zuwanderungsgesetz habe diese Initiative doch nur Schau-Charakter. Schon im Jahr 2000 sei eine von Hessens CDU-Regierung eingebrachte ähnliche Initiative im Bundesrat gescheitert. ede