: Soundcheck: Die Haut
SOUNDCHECK
Gehört: Die Haut. Die 80er Jahre waren reich an Einflüssen, die 90er haben sich immer noch nicht definiert: Mit dieser Vorgabe und einem Freundeskreis aus Mitgliedern der wichtigsten Bands des vergangenen Jahrzehnts feierte die Die Haut aus Berlin ihre ersten zehn Jahre. Das Konzert war bestimmt von einer Art konstruktiver Fin-de-siecle-Atmosphäre. Konstruktiv meint hier, in einem Moment zu lernen, wer man ist, während man im selben Augenblick einen Schritt in noch unbekannte Richtungen geht. Fin-de-siecle soll hier für eine von Selbstmitleid getrennte Schönheit stehen: nach planvoller Vorbereitung ein Ereignis während seines Ablaufs außer Kontrolle geraten zu lassen. Um ein schwingendes Stimmungsauf und -ab durchzuhalten, verfügt Die Haut über zwei sich ständig in die Balance zurückbeordernde Gitarristen. Am Sonntag abend legte das Quartett in der Großen Freiheit seine Instrumentalstücke als Einführungen für die je-
weiligen Sänger und Sängerinnen an:
1Für Anita Lane, Alexander Hacke, Nick Cave, Blixa Bargeld, Lydia Lunch und Kid Congo Powers. Ihre Auftritte vermittelten eine Logik, die sich Die Haut in ihrer zehn Jahre alten Bandgeschichte zurecht gelegt hat, die aber erst in der Rückschau deutlich wird. Die Auftritte der Gäste ließen außerdem erkennen, wie man durch Gesang seine Intuition schulen kann. Die Haut befleißigte sich zurückhaltend, Stil mittels Eleganz unprätentiös vorzufüh-
ren und das mit einer Härte, die die
1Band zu einer euphorischen Maschine werden ließ. Auch wenn fantastische Nachrichten über die Auftritte von Gallon Drunk und Swell bei der Kölner Popkomm im Umlauf sind, scheint aber Die Haut das Konzert des Jahres abgeliefert zu haben. Die drei letzten Alben von Die Haut heißen: Headless body in a topless bar, Die hard und Head on. Wer größer werden und den Himmel küssen möchte, tut gut daran, sich diese Werke anzuhören. Kristof Schreuf
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