: Sound im Schmetterlingstal
■ Drei Tage Internationales Poetry Festival in Hamburg
Hans Magnus Enzensberger wollte zuviel Gage, Peter Rühmkorf konnte nicht. Dennoch flößt die Dichterliste derjenigen, die auf dem diesjährigen Poetry Festival lasen, Respekt ein. Unter ihnen so arrivierte Lyriker und Lyrikerinnen wie Oskar Pastior, Robert Gernhardt und Inger Christensen. Sechs junge Hamburger Lyriker waren die eigentlichen Initiatoren gewesen. Der LyriKran e. V., hervorgegangen aus der Autorengruppen WERFT, will im Rhythmus von zwei Jahren auch zukünftig ein Hamburger Poetry Festival stattfinden lassen. Aber ohne Sponsoring sieht's düster aus.
Nach Ansicht der Veranstalter war vor allem der Erfahrungsaustausch ein voller Erfolg. Das hört sich bescheidener an, als sich das Festival dem Publikum darbot. So zeigte sich die indische Lyrikerin Sujata Bhatt und ihr Übersetzer von den diszipliniert Zuhörenden vor ihnen sichtlich angetan. Rund 300 Lyrikversessene hatten sich Donnerstag abend in die Halle K verirrt.
Die Veranstalter taten gut daran, kaum Diskussion zwischen den Lesungen zuzulassen. Nur so konnte die meistbetriebenste, aber gesellschaftlich bedeutungsloseste aller Literaturgattungen eine öffentliche Präsenz zurückgewinnen und wurde nicht bedrängt von prosaischen Fragen.
Star der Eröffnungsveranstaltung war die Dänin Inger Christensen. Ihr Sonett über ein Schmetterlingstal zeichnete Formstrukturen der Natur nach. Vor ihr las Amanda Aizpuriete frei aus dem Gedächtnis auf lettisch.
Überhaupt dominierte der Sound über die Wortkonstruktion. Raoul Schrott dozierte in einem der Werkstattgespräche, daß der Reim erstmals 800 n. Chr. bei gälischen Bibelexegeten auftrat. Zu Zeiten Sapphos (600 v. Chr.) wurden Gedichte geschrieben, um gesungen zu werden. Raoul Schrott plädierte für die Schönheit als die annehmbarste aller herzlich unbrauchbaren ästhetischen Kategorien. Aber dynamisch, nicht starr muß die (lyrische) Schönheit sein.
Stefan Pröhl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen