■ US-Haushaltsstreit: Republikaner mußten zurückstecken: Sonnyboy Clinton
Wenn es um Entscheidungen geht, gibt es für US- Politiker, vor allem zehn Monate vor einer Wahl, nur ein Kriterium: die vermutete oder tatsächliche Wirkung in der Öffentlichkeit. Drei Wochen Schließung weiter Teile der US-Bundesregierung haben bei den Wählern einen katastrophalen Eindruck hinterlassen. Und Meinungsumfragen zufolge machen die meisten Bürger dafür die Republikaner verantwortlich, denn die haben mit ihrer Mehrheit im Kongreß die Schließung per Federstrich verfügt und können sie per Federstrich auch wiederaufheben. Kein Wunder also, daß mit jedem Tag der Krise die Republikaner unsicherer und zerstrittener geworden sind.
Ihre beiden Führer Bob Dole und Newt Gingrich gehen beide aus dem Drama der letzten Woche geschwächt hervor: Dole, weil er als Nachgeber dastand, als er bereits am Dienstag den Senat die Wiederöffnung der Regierung beschließen ließ; Gingrich, weil er jetzt auch nachgeben mußte, ohne es zu wollen. Als lachender Dritter bleibt Präsident Clinton, der sich sonnen kann in der wärmenden Überzeugung, die Krise weder herbeigeführt zu haben noch sie lösen zu müssen.
Nun ist der Haushaltsstreit damit keineswegs zu Ende. Es war ja gerade eine der Paradoxien der gegenwärtigen Situation, daß die Republikaner mit der Regierungsschließung ein Druckmittel wählten, das mit dem Ziel des Haushaltsausgleichs nicht das Geringste zu tun hat. Es bietet Clinton daher überhaupt keinen Grund zu Konzessionen. Umgekehrt bringt der Umstand, daß die Regierung wieder arbeiten kann, nicht schon die Lösung im Streit um künftige Steuersätze und Sozialausgaben. Solange die Finanzierung laufender Ausgaben geregelt ist, kann der Streit sogar ewig weitergehen.
Doch wenn der bisherige Haushaltskonflikt tatsächlich die Demokraten gestärkt haben sollte, wird mit jeder weiteren Streitrunde ein eher an Deutschland erinnerndes Szenario wahrscheinlicher: Clinton in der Rolle des Aussitzers Kohl, ohne parteiinterne Rivalen und mit Aussicht auf viele Amtsjahre, und die Republikaner – deren Riege von Präsidentschaftskandidaten kürzlich von der New York Times als Traumbesetzung für einen film noir bezeichnet wurde – in der Rolle einer kopf- und konzeptlosen SPD. Wer an einer solchen Entwicklung ein Interesse haben könnte, liegt auf der Hand. Aber auch das werden die Wähler kaum goutieren. Die weitere Entwicklung der US-Innenpolitik birgt womöglich noch viele Überraschungen. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen