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Sondermüll

■ betr.: "Der Giftmüll und die Grünen", taz vom 29.11.90

betr.: „Der Giftmüll und die Grünen“, taz vom 29.10.90

Die Grünen haben auf mehreren Parteitagen und auf der Straße mit zahlreichen BIs ihr NEIN zu Sondermüllverbrennungsanlagen dokumentiert. Winfried Kretschmann jedoch hat da seine eigene schwierige Psyche, wie er mit mehrfachen Parteibeschlüssen und Volkes Wille umgehen soll. Vielleicht hätte er auch sagen können: gut, ihr findet die bisherigen „Erfolge“ noch nicht ausreichend, also überlege ich mir weitere ordnungspolitische Initiativen. Aber bisher leider weit gefehlt. Denn seine Prämisse stimmt bereits nicht: wer 50 Prozent Sondermüll vermeiden will, muß die genauen Zahlen kennen! Die kennt aber doch gar keiner, weil es bisher zum Beispiel keine regaionalen Abfallkataster gibt, die Firmen zur Auskunft über ihre Sondermüllmengen verpflichten könnten. Dann wären regionale Abfallberater der Kommunen gefragt, die vor Ort alle ökologischen und sozialen Konsequenzen von der Umstellung einzelner Produktionen erörten müßten. Denn die von Kretschmann favorisierte landesweite Beratungsagentur wird mit der Erörterung aller einzelbetrieblichen Umstellungsprobleme baden-württembergischer Betriebe schlichtweg überfordert sein. Drittens wären ordnungspolitische Initiativen des Gesetzgebers nötig, um zum Beispiel durch eine zunehmend restriktiver gestaltete Kontingentierung beim Sondermüllexport den Druck auf die Industrie zu verstärken. Die bisherige Abnahmegarantie des Staates für den privatwirtschaftlich erzeugten Giftmüll muß zumindest kurzfristig den Verursachern bis zum Risiko einer Betriebsschließung überlassen werden. Gleichzeitig wären haftungsrechtliche Bestimmungen in unbegrenzter Höhe von den Betrieben bei einer grob fahrlässigen Zwischendeponierung auf Betriebsgelände zu fordern. Auch über die Ausgestaltung derartiger Zwischendeponien auf Betriebsgelände könnte der Gesetzgeber Vorschriften erlassen. Die „lex Zementwerk“ von Herrn Töpfer, die jedoch eine innerbetriebliche Verbrennung ermöglicht, muß bekämpft und zurückgenommen werden. Kretschmann wird als politischer Gebißträger enden, wenn er in Baden-Württemberg mit CDU, SPD und FDP Standorte für Sondermüllverbrennungsanlagen sucht. Darüber sind jetzt schon die Grünen nicht glücklich und ich glaube, auch die Basis der anderen Parteien hat mittlerweile die Schnauze voll von allen Pyromanen. Bernhard Faltin

Nen schönen Gruß von der Emscher ins Ländle, Herr Kretschmann!

Obwohl ich keine halbe Seite in der taz bekomme, will ich als geschmähter Dogmatiker mir den „Diskurs“ nicht nehmen lassen. Bei uns sieht es so aus: BABCOCK — eines der letzten verbleibenden Großunternehmen in Oberhausen — will hier seine Sondermüllverbrennungsanlage bauen und alle sollen ja schreien. Ein Riesengeschäft, für das die Pläne längst fertig sind. Den Startschuß für den Bauboom gab Umweltminister Mathiessen — ökologische Erneuerung á la SPD. Die Grünen Oberhausens als „Lobbyisten“ der hiesigen BI gegen Giftmüll eine „verhängnisvolle Dialektik“?

Hast Du Probleme! Klar, der Diskurs: Wenn die momentane Abfallpolitik alles erlaubt was gefällt, Hauptsache es rechnet sich, darf auch etwas Ökologisches dabei sein. Überlege aber doch mal, woher Dein Verhandlungsspielraum hinter den verschlossenen Türen eigentlich herkommt. Grünes Einzelkämpfertum reicht da sicher nicht. Also geh nicht zu weit ab! Udo Bommert, Oberhausen

Teilweise richtig, daß das Dioxinproblem durch den Ausstieg aus der Chlorchemie zu lösen ist. Daß sich im Sondermüll-Verbrennungsofen selbst bei über 100.000 in der EG zugelassenen Chemikalien Chlor bildet, verscheigst Du schamhaft.

Daß diese Öfen sich nicht problemlos steuern lassen, können Deine zitierten Ingenieure, schon wegen der von Sekunde zu Sekunde wechselnden chemischen Vorgänge, nicht lösen.

Ein Dienstleistungsnetz innerhalb und außerhalb der Betriebe, womöglich noch aus Steuergeldern zum Wohle des Sondermüllerzeugers, ist eine Verinnerlichung der schwarzgelben Unternehmerpolitik.

Dogmatisierung von Standpunkten nennst Du das, wenn solche Konzepte verhindert werden und sprichst verharmlosend von Spurenstoffen.

Mann, diese Dioxinspuren befinden sich mittlerweile in der Muttermilch. Schon mal was vom bayerischen Volksbegehren „Das bessere Müllkonzept“ gehört — einem Zusammenschluß von 16 Umweltschutzverbänden mit den Grünen, die bewirkt haben, daß im Frühjahr 1991 jede Bayerin sich gegen Verbrennung entscheiden kann und das mit einfacher Mehrheit? Das ist Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen, nicht nach dem Verhältnis CDU zur Katholischen Kirche oder SPD zu den Gewerkschaften, sondern das ist Umsetzung von Ideen zum ökologischen sozialen Umbau der Industriegesellschaft.

Und dem setzt Du ein Trauern über das Scheitern einer Arbeitsgruppe, die eine Halbierung des Sondermülls „angestrebt“ hat, entgegen. Ein Trauerspiel. Heinz Klein, Kahl/Main

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