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■ QuerspalteSollen, wollen und schmollen

Zweifelsohne, die Berliner Wähler haben das Vertrauen der SPD verscherzt. Allen hat sie es recht gemacht, doch kaum einer wollte sie. Eine rot-grüne Koalition hatte sie genauso im Angebot wie eine Große, doch weder das eine noch das andere wurde ihr abgenommen. Wäre es da nicht doch einfacher, so schmollen nun die Genossinnen und Genossen, wir lösten das Volk auf und wählten ein anderes? Mit den Stimmen des vorhandenen können wir jedenfalls keinen Berliner Staat machen.

Das Volk vernimmt's und wundert sich: Wurden wir nicht an die Urnen gerufen, damit eine neue Regierung gebildet werde, und nun können die, die wollen, nicht, und die, die können, wollen nicht. Die SPD will nicht mehr und rät selbstlos, nur die, die wollten, sollten auch. Doch CDU und Grüne wollen zwar, aber nicht miteinander. Und die PDS, mit der eh keiner will, wollte sowieso noch nie.

Stell dir vor, das Land braucht eine Regierung und keiner bildet sie. Bei solcher Aussicht bleiben nur Marxisten und Christdemokraten kühl. Erstere, weil sie die wahren Wirkkräfte sowieso dem Kapital zuschreiben, und letztere, weil sie wissen, daß Sozialdemokraten in dem Maße, wie sie mit ihr hadern, natürlich eine Regierung brauchen. Denn wie, bitteschön, sollten sie sich in der Opposition regenerieren, wenn nicht einer den Regierungspart übernimmt. Und weil es in der Berliner SPD zwar keine Marxisten, dafür aber um so mehr bessere Christdemokraten gibt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis aus der Einsicht in diese Notwendigkeit wieder die alte Freude an der Pflicht erwächst.

Und weil Sozialdemokraten nicht nur im Zweifelsfall staatstragend, sondern auch generell nachtragend sind, werden sie den Eintritt in die Regierung mit einer letzten Mahnung an das Volk verbinden: Dieses könne das Vertrauen der Sozialdemokratie nur zurückgewinnen, wenn es bei der kommenden Wahl seine Anstrengung verdoppele. Sonst werde die SPD beim nächsten Mal noch nicht einmal mehr opponieren. Dieter Rulff

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