piwik no script img

Soll Bremen seine Grenzen überwinden?

■ Ampelsenat streitet über Pilotprojekt eines gemeinsamen Gewerbegebiets in Lilienthal

Bremens „Landesplanung“ darf nicht an den Landesgrenzen hinter der Autobahn enden, sagt Bremens grüner Stadtentwicklungssenator Ralf Fücks. Grenzüberschreitende Kooperation soll an die Stelle der „Bürgermeister-Konkurrenz“ der letzten Jahrzehnte treten, und das will er mit einem Gewerbeflächen-Projekt in Lilienthal beweisen. Am vergangenen Dienstag gab es im Senat heftigen Streit um die bisher vertraulich geführten Verhandlungen, gestern kündigte Wirtschaftssenator Claus Jäger seinen Widerstand an.

Um sich dafür mit guten Argumenten zu wappnen, hatte Jäger sein Ressort einen Großstädtevergleich erarbeiten lassen. Bremen nimmt dabei einen „absoluten Spitzenwert“ ein – was die „Freiflächen“ angeht –, hingegen einen „Minuswert“ bei der Arbeitsplatzdichte. Für den Wirtschaftssenator folgt daraus, daß zusätzliche Gewerbeflächen unbedingt in der Stadt zur Verfügung gestellt werden müssen: jeder Beschäftigte, der aus Bremen weggeht, reduziert Bremens Steuereinnahmen um ca. 7.000 Mark im Jahr.

Die Zahlen sind in der Tat eindeutig: Duisburg zum Beispiel hat etwa genausoviele Einwohner wie Bremen auf einer um ein Drittel geringeren Fläche. München verfügt über dieselbe Fläche (300 qkm), hat aber 1,2 Millionen EinwohnerInnen, Bremen nur 530.000. Duisburg bietet 20 Quadratmeter Erholungsfläche pro Einwohner, München 30, Bremen 50. Bremen hat über 300 Quadratmeter „Freifläche“ pro Einwohner, München 100, Duisburg 20. Für den Wirtschaftssenator zeigen solche Zahlen, daß in Bremen noch mancher Arbeitsplatz geschaffen werden kann, ohne daß der Wohn- und Erholungswert der Stadt Schaden nehmen muß.

„Nicht nachvollziehbar sind deshalb konzeptionelle Vorschläge, die eine gezielte bremische Förderung der Schaffung von Gewerbeflächen und Wohnraum im niedersächsischen Umland vorsehen.“ Mit dieser Nebenbemerkung spielt das Wirtschaftsressort auf vertrauliche Verhandlungen der Stadtentwicklungsbehörde mit Lilienthal an.

Nachdem Fücks verhindert hat, den „Gülle-Acker Hemelinger Marsch“ (Jäger) zum Gewerbegebiet zu machen, will Jäger sich nun bei einem spezifischen Fücks-Projekt querlegen. Bremen kann die Bürgermeister-Konkurrenz mit den Flächen im Umland nicht gewinnen, ist die Grundüberzeugung im Stadtplanungs-Ressort. Anstatt also weiter nur gegeneinander zu arbeiten, sollte Kooperation geübt werden.

Fücks kann sich dabei auf ein Gutachten des Kommunal-Experten Prof. von Rohr stützen, der zu dem Ergebnis gekommen war, daß bei einer Verlagerung von Arbeitsplätzen von Bremen nach Niedersachsen nicht nur Bremen, sondern auch die Region insgesamt verliert. Umgekehrt gewinnt aber auch Bremen, wenn auswärtige Unternehmen sich im Umland ansiedeln.

Dieser Interessen-Ausgleich soll in Lilienthal in einem gemeinsamen Kooperationsprojekt erprobt werden: Nur auswärtige, nicht Bremer Betriebe sollen da angesiedelt werden, Bremen und Niedersachsen sollen sich Kosten und Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuer für das Gewerbegebiet 50:50 teilten. Kleines Problem noch bei den bilateralen Verhandlungen: Nur über den kommunalen Steueranteil läßt sich mit Lilienthal verhandeln.

Für Fücks ist „Lilienthal“ ein Pilotprojekt, um Erfahrungen zu sammeln. Viel wichtiger für die Region könnten vergleichbare Kooperationen um das Güterverkehrszentrum (GVZ) oder um das Bremer Kreuz herum sein. Für Wirtschaftssenator Jäger geben solche Pilotprojekte genau das falsche Signal, „als hätte Bremen nicht genug Flächen...“ Jäger will Fücks nun mit seinen eigenen Argumenten schlagen: „Wer etwas für diese Region tun will, auch für das Wesertal als Landschaft“, der müsse Gewerbe nach Bremen holen und „nicht nach Fischerhude oder Liliental“. Aus ökologischer Sicht sei es Unsinn, durch Zersiedlung mehr Verkehr zu erzeugen, anstatt die „ganz großen Verdichtungspotentiale“ in Bremen zu nutzen. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen