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Solidarität in der DDR mit Inhaftierten

■ Elf Personen sitzen in Haft / Gottesdienste in vielen Städten der Republik / Sprecher auf Kundgebung gestern verhaftet

Berlin (taz) - Während DDR-weit die Solidarität für die am Samstag in Leipzig Inhaftierten anhält, kam es gestern im Zusammenhang mit der unabhängigen Demonstration in der Stadt zu einer weiteren Verhaftung. Der 23jährige Fred Kowatsch, Mitglied der „Initiativgruppe Leben“, wurde verhaftet und seine Wohnung zwei Stunden lang durchsucht. Ihm wird vorgeworfen, auf der Demonstration am Samstag die Ansprache gehalten zu haben.

Insgesamt sind jetzt acht Personen in Haft, die offenbar wegen eines Flugblattes, das zu der Demonstration für Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit aufgerufen hatte, ins Gefängnis mußten. Von den ursprünglich elf Verhafteten wurden bis Montag abend vier wieder entlassen. Der Rostocker Anwalt Schnur hat jetzt das Mandat für die Inhaftierten übernommen. Ihnen wird die „Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit“ vorgeworfen.

Unter starkem Sicherheitsaufgebot fand am Montag abend in Leipzig ein Fürbittgottesdienst statt, an dem rund 900 Menschen teilnahmen. Derartige Gottedienste finden weiterhin auch in anderen Städten der DDR statt, in Zwickau beispielsweise sogar täglich.

In Ost-Berlin haben die Bürgerechtsgruppen jetzt auch erste Protest- und Informationsveranstaltungen geplant. Vor einem Jahr hatte es in Ost-Berlin in Zusammenhang mit der Luxemburg-Liebknecht-Gedenkdemonstration eine große Verhaftungswelle gegeben, in deren Gefolge führende Mitglieder von Ost-Berliner Oppositionsgruppen inhaftiert und in den Westen abgeschoben wurden.

Vermutlich, um von der unabhängigen Demonstration in Leipzig abzulenken, berichtete das FDJ-Organ 'Junge Welt‘ gestern unter der Überschrift „Was war in Leipzig los?“ von einer „eigenen“ FDJ-Gedenkveranstaltung in Leipzig zu Ehren Rosa Luxemburgs, an der rund 1.000 FDJler teilgenommen hätten.

Martha Sandrock Siehe Dokumentation Seite 7

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