: So viel Unprofessionalität tut weh
■ Zweite Bundeskonferenz grüner Frauen zum Thema „Lebensmodelle für Frauen“ Biederes und Altbekanntes als politischer Kongreß verpackt
Aus Köln Maria Neef–Uthoff
„Ich heiße Monika und komme aus Münster.“ Nein, wir haben es hier nicht mit einem Kongreß der trockenen Alkoholiker zu tun, sondern mit etwas Hochpolitischem. Es ist die zweite Bundeskonferenz der grünen Frauen mit dem Lieblinksschlagwort grüner Politikerinnen als Thema: „Lebensmodelle für Frauen“. Zur Diskussion wurden fünf Foren und ein Stiefforum eingerichtet: Zusammenleben mit und ohne Kindern, Emanzipation durch Arbeit, Weiblichkeit als Utopie, Emanzipation mit, durch, ohne Sexualität, Gebärfähigkeit, Gebärpflicht. Und das Stiefkind war, wer hätte es anders gedacht, das Mütterforum. Was hier zusammengetragen wurde, strotzt vor biederer Allgemeinplatzigkeit. Schon allein das Ambiente: Überschwappende braune Körnermassen auf Pappmascheetellern empfangen die gutwillige Frau am Eingang. Trommlerinnen mit verzückten Augen schwenken spirituell ihren Hintern. Auf der Bühne in der Aula sitzt eine vom Lande und webt ein Landmotiv in braun und olivgrün. Aber nicht vergessen: Wir sind auf dem Kongreß einer Partei. Zumindest ansatzweise müßte doch mal über Politik gesprochen werden. Aber sie reden lieber über ihre Sexualität, ist ja auch viel netter. Oder darüber, daß sie lesbisch sind. Naja. Oder darüber, ob man den Begriff Weiblichkeit nicht doch lieber abschafft. (Geht denn das so ohne weiteres?) Frauen haben viel zu lachen. Sollte es doch mal für einen kurzen Moment politisch werden und einige dabei eine etwas saloppe Redeweise an den Tag legen, freut sich das Forum königlich. Etwa wie ungenau die Forderungen sind, wenn sie zum Beispiel radikale Arbeitszeitverkürzung verlangen, in der merkwürdigen Differenzierung „Sechs Stunden für Eltern und Alle.“ Oder wenn sie sich gegen jegliche Frauenförderpläne aussprechen und dabei vergessen, daß das Antidiskriminierungsgesetz ja selbst auch eine Art Frauenförderplan ist. Soviel Unprofessionalität tut weh. Die einzigen, die hier etwas mehr Progressionalität reinbringen, sind die Mütterfreundlichen. Die Grüne Gisela Erler geht den Fundifrauen ans Eingemachte. Erler und ihre Mitstreiterinnen stellen die alten feministischen Dogmen in Frage. Zum Beispiel die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Sie kritisieren eine radikalfeministische Technikgläubigkeit, in der selbst Schwangerschaften für Männer wünschenswert erscheinen. Sie kritisieren die unbewußt rassistische Gesellschaftsvorstellung, Ausländerinnen die Betreuungsarbeit an Alten, Kranken und Kindern machen zu lassen und für unsere Renten zu sorgen. Aber Abweichlerinnen werden bestraft. Die Bestrafung ging so weit, daß das Mütterforum ignoriert wurde. Der Videofilm, der über die Veranstaltung gezeigt wurde, sparte ebenfalls das Mütterforum aus. Das Kleinpissige ist politisch, insofern haben wir es heute doch mit einem politischen Kongreß zu tun. Aber das Persönliche ist es nicht mehr. Die Zeiten der Enttabuisierung des Privaten sind längst vorbei. Ihre endlose Wiederholung macht das Persönliche so unpolitisch wie eh und je.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen