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Archiv-Artikel

Misstrauensanträge So nicht, Herr Wowereit

„Showveranstaltung“ hat der Regierende Bürgermeister die gescheiterten Misstrauensanträge genannt, die er und sein Finanzsenator gestern gut überstanden haben. Da ließe sich jetzt sagen: Wenn Klaus Wowereit das meint, wird es wohl stimmen – der ist schließlich als so genannter Partymeister vom Fach. Soweit der Kalauer. Ernsthaft betrachtet, ist Wowereits Äußerung vor allem eins: arrogant und schädlich.

Kommentarvon STEFAN ALBERTI

Natürlich verfügt die SPD-PDS-Koalition im Abgeordnetenhaus über eine so deutliche Mehrheit, dass Wowereit und Sarrazin bis zu sechs Abweichler aus den eigenen Reihen vertragen hätten. Natürlich waren die Misstrauensvoten damit chancenlos. Aber wenn man nur deshalb von den Abstimmungen abgesehen hätte, könnte man sich eine Opposition im Parlament gleich ganz sparen. Gegenanträge? Gesetzentwürfe in umstrittenen Feldern? Bringt doch eh nichts, wird ja abgelehnt.

Politik aber hat nicht nur mit absehbaren Mehrheiten, sondern viel mit Symbolik zu tun. Im Parlament die Regierung in der schärfstmöglichen Form in Frage zu stellen, war gutes Recht der Opposition. Umso mehr, nachdem das Verfassungsgericht auf die Klage von CDU, FDP und Grünen hin den von Wowereit und Sarrazin politisch verantworteten Haushalt für rechtswidrig und nichtig erklärt hatte.

Wer wie Wowereit ein solches Grundrecht des Parlaments als Showveranstaltung abtut, erinnert an Wilhelm II.: „Quasselbude“ nannte der den Reichtag. Es sei hier nicht unterstellt, Wowereit schätze den Parlamentarismus ähnlich gering wie der längst verblichene Kaiser. Aber ob bedacht oder unbedacht: Nicht zuletzt solche Äußerungen sind es, die Vertrauen in Politik und ihre Institutionen schwinden lassen – und aus Nochwählern Nichtwähler machen.