■ Standbild: So ist das Leben
Die tägliche Seifenoper – Lust oder Last des Fernsehens? Medientreff, ORB, So., 21.45 Uhr
Medienkritiker (Kri): „Es gibt Schmierseife, Luxusseife, Kernseife.“ Programmchef, öffentlich-rechtlich (ÖR): „Unsere Seife riecht besser.“ Produktionschef, Privat-TV ($$): „Außer Trüffeln und Spargel gibt es auch Brot.“ Kri: „Schokolade.“ ÖR: „Beilage.“ Produzentin: „Was ist das überhaupt: Kultur?“ Kri: „Das ist Junk food“. Intendant: „Fallhöhe und fallende Türen.“ Kri: „Das ist das Brot der Armen.“ $$: „Das Patex, was Leute an den Sender klebt.“ Kri: „Ihre Tapete hat unangenehmen Leim dran.“ $$: „Die jungen Leute sind Junk food gewöhnt, weil sie auch Video gucken.“
Wenigstens konnte man im Einspielfilm unter die Topfdeckel der Junk-food-Küche lugen. Und was sahen wir da? Flanellhemd-Designerbrille-Magister und Blondhaar-Schminke-Germanistinnen, die allerhand Bett- und Streitgeschichten ersinnen, die sich bald zwischen Flanellhemd-Designerbrille-Männern und Blondhaar-Schminke- Frauen entspinnen sollen.
Die TV-Diskussion hingegen verspann sich, so wie man es Soaps gern vorwirft: schemenhaft. Uwe Kammann, Chef des einschlägigen epd-Fachdienstes, gab einen Medienkritiker, wie ihn sich Klein Fritzchen immer vorgestellt hat – ergo: fieser Lustverbieter. Günter Struve, ARD- Programmchef, trug angesichts der „Verbotenen Liebe“ sein gutes Gewissen so demonstrativ vor sich her, daß man dahinter ein schlechtes vermuten möchte. Die beiden studierten Damen, die in Ufas Seifenküche hinterm Herd stehen, brachten ihre Formeln über die toleranzmachende Kraft der Serie doch recht angestrengt zum Vortrag. Und Sat1- Vertreter Teubner wußte: „Die Leute, die haben ein ganz anderes Leben als wir. Die brauchen so was.“
Lust auf die Soap scheint nur eine Gruppe zu haben. Und die wird von den Soap-Machern für zehnmal döfer gehalten als sie selbst: Zuschauer. Daß Menschen, die ihre Kundschaft so verachten, etwas produzieren, was diese liebt, das ließ uns doch einigermaßen ratlos. Lassen wir drum noch einmal Günter Struve sprechen: „Es gibt Tageszeiten, wo man für die Härte des Geistes nicht den Sinn entwickelt in der breiten Zuschauerschaft.“ Aha, und: „Es muß auch offene Lösungen geben. Wie im Leben.“
Soso. Leben ist zwar Serie, aber Serien sind nicht wie das Leben. Last des Machers, Lust des Guckers. So gehört es sich, denkt der Gebührenzahler und Seifenkäufer. Lutz Meier
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