: Smile oder nicht Smile?
■ Eine Abschiedsgala für das verlorene Milch-Album „Sozialpark“
Nein, das will er wohl nicht, der Armin von Milch: nämlich „Sozialpark“, das vierte Album der Gruppe Milch, einfach so als Legende in die Popgeschichte eingehen lassen. Kein „Smile“ von den Beach Boys, kein echtes, schwarzes Album von Prince, kein legendäres Album von legendären oder weniger legendären Typen, das wegen Zwistigkeiten mit der Plattenindustrie nie erscheinen konnte. Armin von Milch will Gerechtigkeit, pocht auf „moralische Verpflichtung gegenüber Künstlern und deren Arbeit, will „Sozialpark“ für alle.
Das Album liegt seit anderthalb Jahren in den Tresoren der Plattenfirma Motor Music, und so, wie es aussieht, lagert es da weiterhin gut. Warum das so ist, leuchtet nicht ganz ein. Die einen haben geheimnisvolle und rechtliche Gründe, Armin von Milch nicht.
Jedenfalls wechselten er und sein damaliger Partner Ralf Maria Zimmermann 1995 von der Hamburger Plattenfirma Ladomat zum Major Motor Music. Als halb ernste, halb alberne geniale Dilettanten hatten Milch Anfang der Neunziger den Humor der NDW mit Bedeutungsschwangerem à la Bargeld oder Kastrierte Philosophen gepaart. Erst mit dem dritten Album, „500“, ging es 1994 ernsthafter houserockig zur Sache.
Zimmermann und Armin von Milch waren sich wohl schon zu dieser Zeit nicht mehr richtig grün. Der eine wollte House, der andere wollte Euro-Trash. Bald zu Beginn der Aufnahmen für „Sozialpark“ gingen sie getrennte Wege: Milch als Duo, wie es von Motor gesignt wurde, existiert nicht mehr, und „Sozialpark“ harrt seiner Veröffentlichung.
Doch braucht man nun unbedingt ein deutsches Zitat-Disco- Schnickschnack-Album, produziert von niemand Geringerem als Harold Faltermeyer? Schwierige Frage, die Achtziger sind noch immer nicht ganz durch, auch Andreas Dorau ist nicht der Held, der uns den dreimal gewendeten Spaß ins House bringt (Dorau als böser Pate und Konkurrent taucht dann auch gern mal in der Verschwörungstheorie von Armin von Milch auf). Viele Milch-Songs sind aber in der Tat so kühl, sexy und verspielt, so dummdreist und schlau, so Sigue Sigue Sputnik, Ballermann 6 und frühe Depeche Mode, daß man sie gern mehr als nur ein paar Freunden vorspielen wollte und sollte.
Eine Abschiedsgala für „Sozialpark“, zusammen mit dem neuen Milch-Mitglied Katrin Potemkin, ist da genau die richtige Idee. Wie es aber mit dem Album weitergeht, weiß wohl niemand so genau. Motor, bitte meldet euch! Was aber anstünde, wäre ein Album „SozialparkII“, aufgenommen vielleicht mit Neoangins Jim Avignon in dessen Küche. Früher oder später muß es Gerechtigkeit geben. In jedem Fall Unsterblichkeit. Bestimmt. Gerrit Bartels
Heute abend ab 23 Uhr, Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8–10, Friedrichshain
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