Skandal um Krebsmedikamente: Linken-Ministerin Golze unter Druck
Brandenburger Gesundheitsämter zogen gestohlene Medikamente nicht aus dem Verkehr. Der Landtag kommt nun zu einer Sondersitzung zusammen.
Zunächst hatte das ARD-Magazin „Kontraste“ in seiner Sendung vom 12. Juli über den Fall berichtet. Demnach soll die Firma Lunapharm aus dem brandenburgischen Mahlow in griechischen Klinken gestohlene Krebspräparate an deutsche Apotheken verkauft haben. Weil die Medikamente bei ihrem Transport vermutlich nicht ausreichend gekühlt wurden, könnten sie unwirksam geworden sein.
Obwohl die griechischen Behörden Deutschland schon im März 2017 informiert hatten, ging das brandenburgische Gesundheitsministerium nicht gegen Lunapharm vor. „Kontraste“ veröffentlichte eine interne E-Mail aus der Aufsichtsbehörde: „Der Fall ist, würden wir einen Rückruf aller Medikamente verlangen, könnte das im Bankrott der Firma enden.“
Auch als die Justiz längst ermittelte, spielte das Gesundheitsministerium den Fall noch herunter: Es lägen „keine Hinweise vor, dass mit Arzneimitteln, die Gegenstand von Straftaten geworden sind oder die in ihrer Qualität beeinträchtigt sind, gehandelt wurde“, zitiert „Kontraste“ das Ministerium. Laut RBB gingen die Medikamente an 19 Apotheken in neun Bundesländern.
Erst am Freitag, als der Skandal in den Schlagzeilen war, reagierte Golze. Sie entzog der Abteilung 4 ihres Ministeriums die Arzneimittelaufsicht und wies sie einer anderen Abteilung zu. „Nach allem, was wir wissen, wurde eindeutig gegen bestehende Regeln verstoßen, die zu diesem Behördenversagen geführt haben“, sagte Golze.
Gleichzeitig erstattete sie Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter des Ministeriums und beurlaubte ihn vom Dienst. Der Firma Lunapharm entzog Golze die Betriebserlaubnis. Außerdem richtete das Ministerium eine Telefon-Hotline für betroffene Bürger und eine Task Force zur Aufklärung des Skandals ein.
Die Grünen im Brandenburger Landtag äußerten sich danach zurückhaltend: „Unserer Fraktion ist es prioritär wichtig,Skandal um Krebsmedikamente die Sondersitzung des Ausschusses dafür zu nutzen, die Sachaspekte herauszuarbeiten. Wir möchten vermeiden, dass in der Sondersitzung der unproduktive Austausch Skandal um Krebsmedikamentevon Vorwürfen im Vordergrund steht“, sagte Fraktionschefin Ursula Nonnemacher.
Für die Linkspartei kommt der Skandal zur Unzeit: Im nächsten Jahr wird in Brandenburg gewählt. Golze ist nicht nur Ministerin, sondern auch eine der beiden Landesvorsitzenden der Partei und mögliche Spitzenkandidatin. Laut Umfragen ist derzeit keine Neuauflage der jetzigen rot-roten Koalition möglich, allenfalls für Rot-Rot-Grün könnte es knapp reichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen