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Sinti und Roma ziehen nach Dreilinden

■ Stauraum als Stellplatz / Zehlendorfer Bürgermeister Klemann will „Zigeunerlager“ nicht auf Dauer dulden

West-Berlin. Plötzlich geht, was jahrelang unmöglich schien. Ab sofort haben fahrende Sinti und Roma einen Stellplatz in der Stadt: den ehemaligen Stauraum Dreilinden. Das vereinbarte gestern die Senatorin für Jugend, Frauen und Familie, Anne Klein, mit Vertretern der Westberliner Sinti -Union. Diese fungierten als Vermittler für die rund 120 Familien, die zur Zeit vor dem Reichstag ihr Quartier aufgeschlagen haben. Der ehemalige Stauraum war bereits mehrmals als Stellplatz vorgeschlagen worden und ist nach Auffassung von Mario Rosenberg, Geschäftsführer der Sinti -Union, ideal für die Bedürfnisse der fahrenden Sinti und Roma. Diese sollen nun mit ihren Wohnwagengespannen nach Zehlendorf umziehen. Zuvor hatte die für das Gelände zuständige Senatsumweltverwaltung ihren Segen gegeben.

Pikiert reagierte prompt der Zehlendorfer Bezirksbürgermeister Jürgen Klemann (CDU), der nach eigenen Angaben vorab nicht konsultiert worden sei und ein solches „Lager“ allenfalls vorübergehend, keinesfalls aber auf Dauer dulden will. Klemann war offenbar derart entrüstet, daß er sich in seiner Wortwahl - absichtlich oder auch nicht vergriff: Von einem „Zigeunerlager“ sprach er in seiner Presseerklärung.

Dank der gütlichen Einigung zwischen Sinti, Roma und dem Senat wurde ein vom Bezirksamt Tiergarten aufgestelltes Ultimatum bis gestern 21 Uhr hinfällig. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die Sinti und Roma mit ihren Wohnwagen die Wiesen vor dem Reichstag geräumt haben. Dem Tiergartener Bezirksamt, das vor einigen Monaten eine Rasenfläche am Spreebogen als Interimsstellplatz zur Verfügung gestellt hatte, waren die fahrenden Familien zunehmend ein Dorn im behördlichen Auge (die taz berichtete).

Letzten Freitag hatte Bezirksbürgermeister Naujokat (SPD) deshalb zu einem Ortstermin geladen. Das Rechtsamt witterte Rechtsbruch wegen unerlaubten Befahrens der Grünanlagen, die MitarbeiterInnen des Gartenbauamtes wollten „den Dreck anderer Leute nicht mehr wegmachen“. Und überhaupt - so eine Vertreterin des Personalrats - sei diese mobile Lebensweise „in unserem industrialisierten Zeitalter langsam überholt“.

So einfach sieht man die Dinge in der Senatsverwaltung für Jugend, Frauen und Familie nicht. Senatorin Klein untersteht unter anderem die Abteilung „Sozialpädagogische Dienste für ethnische Minderheiten“, deren MitarbeiterInnen sich jahrelang auf der Suche nach einem Stellplatz die Hacken wundliefen. „Wir müssen uns schon ein bißchen auf die Lebensgewohnheiten dieser Leute einstellen“, fordert Referatsleiter Sigurd Mehls. Unisono mit seiner Senatorin ist er der Meinung, daß es einer Metropole gut anstünde, einen angemessenen und dauerhaften Platz für reisende Sinti und Roma zur Verfügung zu stellen. Von Vorschlägen, die Sinti und Roma ins Umland abzudrängen, wie dies nach Ansicht Klemanns in anderen Städten üblich sei, hält Mehls nichts. „Da ist die Ablehnung der Fremden noch um einiges krasser.“

Andrea Böhm

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