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Simulierte Geschlechtsakte

■ Träume und Alpträume des Russ Meyer - RTL zeigt eine Retrospektive mit Werken des umstrittenen Regisseurs / „Vixen - Ohne Gnade Schätzchen“, 0.20 Uhr

Vor einigen Jahren versuchte eine Gruppe eifriger Feministinnen im Kommunikationszentrum unseres Städtchens die Vorführung eines Russ-Meyer-Films zu verhindern, indem sie den Vorführraum stürmte. Das Peinliche für die „Bilderstürmerinnen“ war, daß sie den Film gar nicht kannten und treuherzig dem in der Tat spekulativen deutschen Titel Die Satansweiber von Tittfield auf den Leim gegangen waren, der im amerikanischen Original Easter Pussycat! Kill! Kill! benamt ist.

Der US-Regisseur Meyer wird immer noch gern auf den „Nuditäter“ reduziert, den vor allem die Vorliebe für großbusige Darstellerinnen auszeichnet. Die sensationsheischende Werbung tut, ihre Aufgabe erfüllend, das Ihrige dazu, aber auch die oberflächliche Filmkritik der Sensationspresse, die Meyers Filme gern zum Anlaß für schlüpfrige Wortspiele nimmt. Dabei wird häufig vernachlässigt, daß sich Meyer als unabhängiger Produzent Meriten im Kampf gegen die Zensur erworben hat, die auch anderen zugute kam (verboten waren damals ja keineswegs nur „nudies“, sondern auch Filme wie Der Mann mit dem goldenen Arm oder Anatomie eines Mordes).

Wenig bekannt ist auch, daß Meyers Oeuvre trivialpolitische Werke umfaßt, die sich mit Sklaverei oder dem Zusammenhang von Zensur und Pornographie befassen. Einen eigenen Block im Schaffen des leidenschaftlichen Filmemachers, der häufig für Produktion, Skript, Regie und Schnitt in Personalunion verantwortlich zeichnete, nimmt eine, von ihm ironisch „Steinbeck-Phase“ genannte Periode ein, in der er so wüste wie wütende Kolportagen über US-amerikanisches Hinterwäldlertum, über das Gewaltpotential wildgewordener Kleinbürger und provinzielle Kleingeisterei drehte, allesamt Motive, die auch in seinen „Sex-Filmen“, die eigentlich gar keine sind, aufzuspüren sind.

Wer Meyers Filme mit den Sexfilmchen deutscher Machart vergleicht, wird die unterschiedliche Intention kaum übersehen können. In den Produktionen von Brummer & Co. geht es stets um allzeit bereite Mädchen, die am Wege liegen (so ein Filmtitel), die nur darauf warten, von schmierigen Handelsvertretertypen flachgelegt zu werden. Meyer zeigte, den Anforderungen eines veränderten Marktes gehorchend, erst in seinen späten Filmen (simulierte) Geschlechtsakte, aber in einer so absurden Manier, daß die Vorführungen eher verstörend als betörend wirkten, zumal das männliche Personal seiner Filme selten gut wegkommt. Bei Meyer sind die Männer fast immer entweder schäfchenblöd, tolpatschig und weltfremd oder werden geleitet von dumpf-brachialer Triebhaftigkeit, die sie von keinem Verbrechen zurückschrecken läßt.

In seinen späten Filmen gab Meyer die Männer endgültig der Lächerlichkeit preis, indem er seine früheren Motive travestierte und ein Kabinett comichafter, vollkommen überzeichneter Figuren entwickelte, die in mehreren Filmen immer wieder auftauchten. Beneidenswert jedenfalls sind Meyers Protagonisten nicht; sein Biograph Rolf Thissen schrieb dazu: „Bei Russ Meyer liegen Träume und Alpträume nahe beieinander.“

Mit Vixen - Ohne Gnade Schätzchen (1968) beginnt RTL heute eine Retrospektive mit neun Filmen des umstrittenen Regisseurs.

Herr Dittmeyer

Die Reihe wird mit folgenden Titeln fortgesetzt:

Eve and the handyman 24.7.; Lorna 31.7; Mudhoney 7.8.; Motor -Psycho 14.8.; Faster, Pussycat! Kill! Kill! 21.8.; Good Morning... and goodbye! 28.8 ; Common-Law Cabin/ How much living does a normal couple need? 4.9.; Finders Keepers, Lovers Weepers 11.9.; The inmoral Mr. Teas 18.9.

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