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Simpler Mangel an Zivilcourage

betr.: „Eine Frage der Ideologie“ (Reformierte Betriebsverfassung), taz vom 7. 12. 00

[...] Wolfgang Franz vom ZEW-Institut spricht Unsinn. Als Betriebsratsmitglied höre ich durchaus, was auch er gerne hört. Jungdynamische Mitarbeiter beklagen sich öffentlich in fließendem Korporatesisch über „Entmündigung“ durch Gesetze und Vorschriften, auf deren Einhaltung lästige Betriebsräte achten: Zum Beispiel dürfen Arbeitnehmer nicht länger als zehn Stunden pro Tag arbeiten. Freiheitsbeschränkung! Jedoch im persönlichen Gespräch klagen sie dann doch über den ungeheuren Arbeitsdruck, der auch dadurch entsteht, weil sie in den zehn Stunden von heute die Fehler reparieren müssen, die ihnen durch Übermüdung während der zehn Stunden von gestern unterliefen. Nicht Betriebsräte oder die Gewerbeaufsicht entmündigen solche Kollegen, sondern sie entmündigen sich selbst.

Dieser simple Mangel an Zivilcourage wird dann auch noch stolz mit Pragmatismus verwechselt. Wie extrem sich Menschen schon unter leichtestem Druck verbiegen können, wissen wir allerdings spätestens nach Milgrams Experimenten. Um so leichter sind Mitarbeiter zu firmenpolitisch korrekten Aussagen zu bringen – insbesondere solange Betriebsräte für sie die Drecksarbeit machen. GÖTZ KLUGE, Betriebsrat, München

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