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Gewalt an FrauenEin Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

In Frankreich läuft der Pelicot-Prozess, weltweit steigt die Zahl der Femizide. Der Mord an einer Frau sollte ein eigener Straftatbestand sein.

Trauermarsch: Eine Protestaktion zum Gedenken an die in Deutschland gewaltsam getöteten Frauen Foto: Florian Boillot

D ie Höchststrafe von 20 Jahren Haft. Das fordert die Staatsanwaltschaft für den Hauptangeklagten im sogenannten Missbrauchs­prozess von Avignon. Gisèle Pelicot, wurde zehn Jahre lang von ihrem Ex-Mann medikamentös betäubt und Hunderte Male vergewaltigt. Von ihm und von unzähligen anderen Männern. Vor Gericht stehen 50 Angeklagte, die Behörden gehen von weiteren Tätern aus, sie konnten bislang nur noch nicht identifiziert werden.

20 Jahre Haft. Das ist viel und das ist zu wenig für Taten wie diese. Die Folgen des jahrelangen Missbrauchs werden Gisèle Pelicot für den Rest ihres Lebens begleiten. Das einzig Positive: Sie lebt. Andere Frauen bezahlen die Gewalt ihres (Ex)Partners mit dem Leben. Im vergangenen Jahr wurden weltweit laut der Organisation UN ­Women 51.000 Frauen von ihrem aktuellen oder früheren Intimpartner getötet. In Deutschland haben 2023 dem Bundeskriminalamt (BKA) zufolge 360 Frauen ihr Leben durch Gewalt verloren. 248 davon waren laut BKA Femizide, also männliche Gewalt gegen eine Frau, weil sie eine Frau ist.

Dass im deutschsprachigen Raum von Femiziden gesprochen wird, gibt es noch nicht allzu lange. Erst nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass die gezielten Verbrechen an einer Frau Femizide sind – und dass dies auch genau so benannt werden sollte. Seit die Istanbul-Konvention mit der Maßgabe, Gewalt gegen Frauen einzudämmen, im Jahr 2011 verabschiedet und 2018 in Deutschland ratifiziert wurde, wird tatsächlich öfter von Femiziden gesprochen.

Diese werden durch das Strafgesetz geahndet. Doch die Frage, ob es sich bei der Absicht, die Frau zu töten, um Mord oder „nur“ um Totschlag handelt, ist juristisch noch nicht endgültig beantwortet. Der Unterschied dabei liegt im Strafmaß: Das Gesetz schreibt bei Mord eine lebenslange Haftstrafe vor, bei Totschlag sind es fünf bis ­fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe. In Italien, Spanien und Belgien ist man da weiter. Dort ist Femizid ein eigener Straftatbestand. Mit entsprechendem Strafmaß – und klarer politischer Botschaft.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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39 Kommentare

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  • "Das einzig Positive: Sie lebt. Andere Frauen bezahlen die Gewalt ihres (Ex)Partners mit dem Leben."

    Ich würde es begrüßen, wenn unser Strafrecht zusätzlich zu physischen Morden/Totschlag, auch an Männern, die Definition "psychische Morde/Totschlag" wie beispielsweise Sexualstraftatbestände, auch an Männern, neu aufnehmen und bewerten würde. Wenn sich die Justiz und das Strafmaß in die Richtung ändert, dass eine Sexualstraftat an Männern/Frauen/Trans als "psychischer Mord" geahndet und verfolgt wird, ändert sich vielleicht bei uns allen etwas und jede/r wird sensibilisiert.

  • Ich halte die vorhandenen Kategorien im Gericht durchaus für ausreichend. Bei Mord spielt das Geschlecht in der Hinsicht erstmal keine Rolle. Eine Erfassung erfolgt bereits jetzt. Es würde nichts ändern.

    Das wichtige ist dahin zu kommen, Femizide zu verhindern. Nach dem Tod können wir den Frauen nicht mehr helfen. Bereits Kinder müssen Respekt, Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit erlernen. Bei Bedrohungen muss im Zweifel eben auch Überwachung möglich sein, wenn es schon zu Angriffen gekommen ist, ohne dass einer mit den Leuten "Gassi" gehen muss.

  • Tut mir leid, aber ein spezifischer Mordparagraph für Femizide halte ich nicht für Sachdienlich. Es entstehen dann personenspezfische Sondergesetzte. Beispielsweise wäre auch die Kindstötung überlegenswert. Zudem kommt bei Femiziden wieder „innere Beweggründe“ als Merkmal und das ist ja schon im Aktuellen Mordparagraphen ein gemurkse.

    Wenn man noch polemisch ist, könnte auch die Tötung von Männern hervorheben, da diese Personengruppe mit 1,5-facher Wahrscheinlichkeit getötet werden.

    Sinnvoller halte ich es, dass der CDU-Vorschlag (man glaubt es kaum!), dass die Ausnutzung einer Überlegenheit zum Mordmerkmal wird.

  • >Dass im deutschsprachigen Raum von Femiziden gesprochen wird, gibt es noch nicht allzu lange. Erst nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass die gezielten Verbrechen an einer Frau Femizide sind – und dass dies auch genau so benannt werden sollte.

    Das liegt wohl eher daran, dass Fremdwörter, vor allem welche, die an Genozid erinnern, so in Mode gekommen sind, "Ökozid" versuchte die taz ja auch schon zu puschen, und Suizid wird ja auch so gern anstelle von Selbstmord gesetzt.



    Wenn die Autorin weiter unten schreibt, dass einfach alle Morde an Frauen als Femizid schwerer bestraft werden sollten, könnte man doch einfach das Wort "Frauenmord" an die Stelle von "Femizid" setzen, das verstehen wenigstens alle sofort.

  • Ich verstehe nicht was de Besprechung von Mord und Totschlag hier zu suchen hat. Kann ein Femizid nicht beides sein, Mord oder Totschlag? Ist nicht die wesentliche Definition eines Femizids, dass Geschlechterverhältnisse , sexistischer Diskriminierung und die Postulierung geschlechtlicher Ungleichheiten bei einer Tötung eine Rolle spielen?

  • Ein sehr wichtiges Thema. Juristisch aber ist die Gesetzeslage ebenso wie die Rechtsprechung eindeutig (auch wenn im Artikel anderes behauptet wird): Femizide werden wie jedes anderes Tötungsdelikt auch bewertet, d.h. nicht jeder Femizid ist automatisch Mord.

    • @Samvim:

      Der Begriff Femizid definiert sich als „die Tötung von Frauen durch Männer, „weil sie Frauen sind“. Letzteres ist juristisch entscheidend, denn es erfüllt das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" gemäß § 211 Abs. 2 UA. 1 Alt. 4 StGB.

      Kurz: Jedes Tötungsdelikt welches als Femizid erkannt wird, ist Mord.

      Da in diesem Bereich die häufigste Fallgruppe „Trennungstötungen“ darstellen, besteht in der Praxis aber oftmals das Problem, hier einen Femizid ermittlungstechnisch und juristisch, eindeutig dem Täter nachzuweisen.

      Aber häufig argumentierten Gerichte bislang in solchen Fällen auch, dass der Umstand, das die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, gegen niedrige Beweggründe sprechen, da der Täter etwas verliert was er nicht verlieren wollte. Damit entfiel das Mordmerkmal und die Anklage lautete dann Totschlag

      Das es sich dabei um eine objektifizierende Ansicht des Täters handelt, wurde von den Gerichten oftmals übersehen.

      Aus diesem Grunde wurde auch der § 46 Abs. 2 StGB erweitert um „geschlechtsspezifische Umstände“. In ihm sind die Grundsätze der Strafzumessung geregelt und hier ist jetzt auch eine höhere Strafe für Totschlag unter dem aufgeführten Gesichtspunkt möglich.

      • @Sam Spade:

        Der BGH hat das in verschiedenen Urteilen anders gesehen.

        • @Samvim:

          Der BGH hat in diesen Urteilen lediglich revidiert, da er den entsprechenden Fällen keine niedrigen Beweggründe zugeordnet hat.

          Sprich, er sah keine Grundlagen die für ein Femizid sprachen.

          Siehe hierzu auch Urteil BGH 2 StR 349/0 aus Oktober 2008

          • @Sam Spade:

            Gerade der von Ihnen benannte Fall ist einer, der üblicherweise als Femizid definiert wird.

  • Wer's zum Thema unterhaltsam-informativ haben will, soweit das zum Thema geht, mag auch in die aktuelle "Anstalt" schauen: Es fehlen demnach u.a. Frauenhausplätze in diesem unseren Land. Vielleicht wäre das der zielführende Ansatz.

  • Ich finde den inflationären und undifferenzierten Gebrauch des Begriffes "Femizid" schwierig. Eine solche Kategorisierung ist dann sinnvoll, wenn man daraus etwas lernen und dann Schlüsse daraus ziehen kann. Welche Gemeinsamkeiten haben die Taten, die eine Bekämpfung erlauben? Das reine Geschlecht der Opfer kann es nicht sein, sonst müssen wir uns mehr über Androzide unterhalten.



    Natürlich ist die Tötung einer Frau, weil sie sich in den Augen ihrer Familie nicht so verhält, wie sie es als Frau tun sollte, ein Femizid. Aber ist die Tötung einer Ehefrau, damit der Ehemann das Haus nicht durch eine Scheidung verliert, tatsächlich durch das Geschlecht des Opfers bestimmt? Ja, das Opfer ist bei einer heterosexuellen Beziehung weiblich, aber das Motiv ist eher Habsucht. Eine ähnliche Diskussion gab es vor einiger Zeit, als in Österreich ein Mann Ende 80 seine gleichaltrige Ehefrau, die schwer erkrankt war, erschossen und sich dann selbst getötet. War das ein böser Femizid oder akzeptable Tötung auf Verlangen?



    Mann tötet Frau = Femizid: Das mag politisch so gewünscht werden, kriminalistische und intellektuell ist es unterkomplex.

  • Ist ein Mord an einer Frau etwas Anderes bzw. mehr oder weniger schlimm als ein Mord an einem Mann? Und müsste man dann nicht auch noch unterscheiden ob der Täter / die Täterin männlich oder weiblich war, wenn man schon beim Opfer (gibt es eigentlich eine Opferin?) zwischen den Geschlechtern unterscheidet? Und sind nicht eigentlich alle Menschen nach Artikel 3 GG vor dem Gesetz gleich und die Frage nach einem eignenen Straftstbestand hier komplett überflüssig? Fragen über Fragen

  • Hierzu die Emma:

    www.emma.de/artike...ahre-wieder-341417

    》Immer noch fehlen in Deutschland rund 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Laut Istanbul-Konvention müsste Deutschland 21.500 Plätze bereitstellen, es sind aber seit Jahren nur rund 7.000. [...] Tausende hilfesuchende Frauen und ihre Kinder abweisen müssen. Und das endet nicht selten tödlich. Auch 2023 starb wieder jeden zweiten Tag eine Frau durch die Hand ihres (Ex)Mannes, insgesamt 155. 155 Frauen, getötet mitten in Deutschland durch den eigenen Mann oder Freund.







    Die jährlich 30 Millionen Euro, mit denen die klammen Frauenhäuser besser ausgestattet werden sollten, hatte 2020 die schwarz-rote Vorgänger-Regierung beschlossen. 2023 hatte das Frauenministerium die Förderung auf 20 Millionen gekürzt. [...]







    warum hat die Ampel [...] einen entsprechenden Gesetzentwurf von CDU/CSU im Sommer abgelehnt? Die Konservativenhatten darin die elektronischen Fußfesseln vorgesehen, außerdem härtere Strafen für Täter. Mit dem Merkmal der „Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ hätten viele Taten, die heute rechtlich noch als „Totschlag“ gelten, als „Mord“ verurteilt werden können. 《

  • Es ist ja schon ein Fortschritt, nicht mehr von »Familiendrama«, sondern von Femizid zu schreiben, wenn eine Frau vom Ehemann, Lebenspartner oder irgendeinem Fremden ermordet wird.



    Ich denke als juristische Laiin, die Rechtssprechung reicht aus, was aber in der Gesellschaft endlich ankommen muss ist die Tatsache, dass es bei diesen Taten um mickrige Typen geht, die Angst um ihre Macht haben. Und dass es Männer gibt, die in einer Liebesbeziehung Macht haben wollen, die auch kein Kontaktverbot akzeptieren, die ggf ihre Kinder für die Erpressung der Frau instrumentalisieren. Die einfach nerven, terrorisieren und bedrohen, ohne dass sich Polizei und Justiz dafür interessieren, das muss zum zigsten Male nicht nur angeguckt werden, sondern das muss auch Folgen haben. Männer, die z B trotz Kontaktverbot eine Frau weiter drangsalieren, müssen auch zeitnah dafür bestraft werden.



    Wie das wohl wäre, wenn hierzulande Männer auf die Straße gingen, um zu demonstrieren, dass sie auf der Seite der Frauen und keine ekelhaften Grapscher, übergriffige Fieslinge und machtgeile »Lebenspartner« sind.

  • Universal abgeleitet, verstehe ich den Ansatz noch nicht. Es gibt auch keine besondere Strafe beim Töten von Linkshändigen oder Rechtshändigen.



    Dass sich eine Frau aus körperlichen Gründen oft schlechter wehren kann, dass sie alles andere als Besitz wäre, etc. etc. ist bei der Beurteilung und Zumessung des jeweiligen Strafmaßes ja zu integrieren, oder?



    Bitte noch einmal so erklären, dass die Logik dahinter auch bei mir ankommt. "Als Symbol" o.ä. fände ich dabei auch hier nicht eine zwingende Logik.

    • @Janix:

      "Dass sich eine Frau aus körperlichen Gründen oft schlechter wehren kann, dass sie alles andere als Besitz wäre, etc. etc. ist bei der Beurteilung und Zumessung des jeweiligen Strafmaßes ja zu integrieren, oder?"

      Leider scheinen die Gerichte sehr zaghaft zu sein, wenn es darum geht, bei solchen Verbrechen, eine angemessene Strafe zu finden. Hier wären Schulungen und ein Umdenken in der Justiz evtl. hilfreich.

  • Schon wieder eine Forderung, bei der nicht über den Tellerrand geschaut wurde. Es gibt für Mord und für Totschlag eigene Merkmale, ganz unabhängig, ob es sich bei dem Opfer um eine Frau oder Mann oder sonstjemanden handelt. Die Unterscheidung ob Mord oder Totschlag ist immer auf die einzelne Tat anzuwenden, nicht auf das Opfer.



    Und wenn man in Spanien oder anderswo schon "weiter" sei, dann aus deren Sicht, nicht aus der unseres Strafgesetzbuches, das zu Recht keinen Unterschied macht wer die Tat begeht und wer das Opfer ist. Einen Paragraphen einzuführen, der den Totschlag einer Frau als Mord wertet, halte ich nicht für "weiter" sein, sondern für eine qualitative Verzerrung. Totschlagsopfer Mann, männliches Kind etc. max. 10 Jahre, Opfer Frau generell Lebenslänglich? Soll es etwa so aussehen? Na, hurra, was kommt als nächstes? Hautfarbe? Haarfarbe? Gesinnung?

  • "Doch die Frage, ob es sich bei der Absicht, die Frau zu töten, um Mord oder „nur“ um Totschlag handelt, ist juristisch noch nicht endgültig beantwortet."

    ... und das ist auch vollkommen richtig so. Denn jeder Fall ist ein gesondertes Verfahren und wird mit allen Fakten und Umständen in einem Strafprozess durchleuchtet und bewertet. Ob es sich im Einzelfall um Mord oder "nur" um Totschlag gehandelt hat, entscheidet das Gericht. So etwas kann nicht juristisch endgültig pauschal für alle Fälle, bei denen Frauen zu Schaden kamen, im Voraus entschieden werden. Das wäre gegen alle Grundsätze unseres Rechtsstaats.

  • Natürlich kann man die Strafe nicht vom Geschlecht des Opfers abhängig machen, das wäre schlicht verfassungswidrig.



    Die Frage ist aber auch, was ist denn ein Femizid? Ist jeder Mord mit einem irgendwie weiblich definierten Opfer (auch das ist ja keine unumstrittene Definition) ein Femizid oder nur dann, wenn das Motiv nicht Hass auf das individuelle weibliche Opfer, sondern auf Frauen an sich ist? In letzterem Fall wären Femizide ausgesprochen selten, die meisten Beziehungstaten und Morde zur Vertuschung von Vergewaltigungen würden dann nicht darunter fallen.



    Mir erscheint die Konzentration auf das Opfergeschlecht wenig zielführend, zumal die meisten Mordopfer männlich sind. Das Morde an Frauen als schlimmer wahrgenommen werden, zeigt zudem ein merkwürdiges Männerbild, so als wären männliche Opfer weniger Wert, Morde an ihnen weniger schlimm, als könnten sich Männer ja wehren, als wären Opfer selbst schuld, wenn Täter das gleiche Geschlecht haben.

  • Da alle Menschen gleich sind, ist ein besonderer Straftatbestand für den Mord an Frauen sehr, sehr fragwürdig. Und auch nicht notwendig. Das Mordmerkmal "niedrige Beweggründe" ist ja erfüllt. Wir brauchen also kein neues Gesetz, sondern die konsequente Anwendung bestehender Gesetze.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Da alle Menschen gleich sind"?



      Ach, ist das so? Schon kurzes Nachdenken ergibt: sie sind es mitnichten. Da gibt es Frauen, Männer, Säuglinge, Minderjährige. Es gibt deutsche Menschen, französische, türkische und viele andere mehr. Es gibt reiche Menschen, superreiche und arme u.v.a.m.



      Was allen Menschen gleich ist, ist der theoretische Anspruch auf Gleichberechtigung, auf Achtung ihrer Menschenwürde.



      Seit 1949 steht im Grundgesetz, Männer und Frauen seien gleichberechtigt. Trotzdem wird keine vernünftige Person, wie lange sie auch nachdenkt, behaupten, der Anspruch auf Gleichberechtigung sei bereits erfüllt.



      Von daher ist das rhetorische Konstrukt von den "gleichen Menschen " sehr, sehr fragwürdig. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen nicht minder.

      • @hinnerk untiedt:

        " Da gibt es Frauen, Männer, Säuglinge, Minderjährige. Es gibt deutsche Menschen, französische, türkische und viele andere mehr."

        Sind alles Menschen. Und jeder ist gleich viel Wert. Also muss der Mord an einem Menschen auch gleich bewertet werden.

        Dass die Gleichberechtigung nicht voll umgesetzt ist, ist hinreichend bekannt und beklagenswert. Durch Sondergesetze für Männer und Frauen wird aber das Gegenteil erreicht.

        PS: Wenn ich als Lesbe meine Partnerin erschlagen würde, weil sie mich verlassen will. Ist das dann auch ein Femizid? Oder einfach ein Mord aus niedrigen Bewegründen?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Stimmt. Das wär, als würde man über eine gefährliche Wunde einfach noch ein zweites Heftpflaster drauf machen.



      Höhere Strafen helfen auch irgendwann nicht mehr. Ein Mörder denkt da auch nicht drüber nach, weil es ihm entweder egal ist, oder er hofft damit durchzukommen.



      Da muss man bereits sehr viel früher ansetzen, mE. bereits in der Grundschule.

  • Ich sehe Kommentare, die die Existenz der rechtlichen Figur des Femizids Frage stellen und argumentieren, dass Mord bereits gesetzlich bestraft wird, sodass die Kategorie des Femizids überflüssig wäre.

    Die Frage ist nicht so einfach. Femizid weist einige Besonderheiten auf. Wenn wir sie ignorieren, könnte es zu einer unverhältnismäßigen Verwendung der Kategorie "Totschlag" anstatt von "Mord" kommen, was eine Form der Milderung für jemanden darstellen würde, der eine Frau tötet.

    Trauriger Beispiel (2019):

    "Mehr als 20 Mal stach er auf seine Ehefrau, die sich von ihm scheiden lassen wollte: Das Landgericht Marburg verurteilt den geständigen 56-Jährigen wegen Totschlags im Affekt zu einer Haftstrafe von acht Jahren."

    www.fr.de/rhein-ma...chen-11406706.html

    • @Bescheidener Kunsthandwerker:

      Art. 3 GG wurde schon angeführt, alleine deswegen ist eine "rechtliche Figur des Femizids" schlicht verfassungswidrig. Dass im Einzelfall Gerichtsurteile schwer bis nicht verständlich ausfallen, ist davon unabhängig.

    • @Bescheidener Kunsthandwerker:

      Der Fall, den Sie exemplarisch anführen, belegt eher das Gegenteil.

      Hier hat nicht jemand aus Machtansprüchen heraus seine Expartnerin getötet, weil sie eine Frau ist.

      Hier hatte sich jemand mit der Trennung bereits abgefunden, fühlte sich "bedrängt", sie wollte ihn aus der Wohnung schmeißen. Es kam zu einem Streit.

      Ihr Kommentat gibt einen Hinweis auf die Problematik des Begriffs "Femizid".

      Die einzelnen Beweggründe des Täters -juristisch eigentlich relevant - interessieren nicht mehr.

      "Wir" wissen ja schon, warum er die Frau umgebracht hat.

      • @rero:

        Und in den unten zitierten Fall?

        www.wz.de/nrw/wupp...hlags_aid-31102245

        Das Problem liegt genau in den Beweggrunde des Mörders: Fühlt er sich durch die Taten einer (fast immer) verwandten Frau gedemütigt, bedrängt, in Frage gestellt, erregt? Und das reicht ihm, um seine Frau, seine Ex-Frau, seine Tochter, seine Schwester zu töten?

        Seine Gefühle bestimmen dann darüber, ob eine Frau den Tod verdient oder nicht, und ihre Verwendung (die Geefühle) als mildernde Faktoren verleitet uns dazu, zwangsläufig so zu denken: Wenn ein Mann seine Frau/ex Frau/Tochter ermordet, weil er meint, er hätte sich so der so gefühlt, akzeptieren wir teilweise seine Argumentation: Sie zu töten war sicher übertrieben, ABER ein bisschen Recht hat er trotzdem.

        Und aus diesem Grund müssen wir mit der Verwendung des Begriffs "Femizid" vorsichtig sein. Nicht jeder gewaltsame Tod einer Frau kann als "Femizid" eingestuft werden.

        • @Bescheidener Kunsthandwerker:

          Der nun von Ihnen verlinkten Artikel enthält so gar keine Informationen zu den Beweggründen des Täters.

          Mich verleiten die Beweggründe eines Täters zu gar nichts.

          Ich bleibe bei meiner Meinung, "Femizid" im StGB als Delikt hilft nicht weiter.

  • Mord oder Totschlag.

    Die meisten Täter haben ja noch nicht einmal Kenntnis vom GG, Art 3

    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.



    (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

    Bringt ihnen ja auch keiner bei. Im Gegenteil.

    ZEIT: "Wie soll man seine Frau schlagen?" von Can Dündar.



    www.zeit.de/2018/1...pation-can-duendar

    Lässt sich nahezu eins zu eins auf manche Landesteile der Bundesrepublik übertragen.

    Da empfehle ich doch Alice Schwarzer in der EMMA, die sich wie immer traut das Kind beim Namen zu nennen und mehr als jede(r) andere für die Frauen hier und anderswo erreicht hat.

    Dafür gab es dann auch zweimal das Bundesverdienstkreuz, Journalistin des Jahres, Ludwig-Börne-Preis etc. etc.

    "Das Private ist politisch"



    www.emma.de/artike...t-politisch-341321

    Auch zu empfehlen von Terre des Femmes:



    frauenrechte.de/fi...ord_Definition.pdf

  • Ich verstehe das Problem unter juristischen Gesichtspunkten nicht wirklich.

    Ein Tötungsdelikt an einer Frau, weil sie eine Frau ist, beherbergt grundsätzlich ein klassisches Mordmerkmal (Täterbezogenes) und müsste demnach nach §211 Abs. 2 StGB auch als Mord und nicht als Totschlag geahndet werden. Die besondere Verwerflichkeit der Tat dürfte ebenfalls zweifelsfrei gegeben sein.

    Der deutsche "Mordparagraph" ist doch aufgrund seiner Struktur der Tätertypenlehre geradezu prädestiniert um Femizide strafrechtlich entsprechend einzuordnen.

    Femizide als eigenen Strafttatbestand dürften wohl nur solche Länder aufweisen, deren Strafrecht eine andere Struktur hat.

    Ich bin mir auch nicht sicher, ob Femizide als eigener Straftatbestand in Deutschland konform gehen mit dem Grundgesetz. Das käme dann wohl auf die Ausarbeitung des Femizid-Paragraphen an. Einen juristischen Sinn kann ich aber nach jetzigen Kenntnisstand darin nicht erkennen.

    • @Sam Spade:

      Genau so ist es.

    • @Sam Spade:

      Danke. Genau, was ich auch schreiben wollte.



      Wenn die Tötung eines Menschen aufgrund von Besitzansprüchen oder dem Glauben dieser wäre minderwertig ausgeübt wird, dann sollte da juristisch nicht drüber gestrittenwerden, ob das niedere Beweggründe sind.



      Wird dieses Merkmal nicht gesehen, dann dürfte es auch schwierig sein zu beweisen, dass das Frausein des Opfers zu den Beweggründen zählte.



      Grundsätzlich jede Tötung danach zu messen, welches Geschlecht das Opfer hatte, unabhängig davon, welche Beweggründe imKopf des Täters (oder der Täterin) vorlagen, wäre genau das Gegenteil dessen, was die Autorin sich wünscht.

    • @Sam Spade:

      Ihr Beitrag war hilfreich!



      Offensichtlich ist das Problem als Themensetzung im Diskurs nicht unbekannt und jetzt in der Öffentlichkeit auch angekommen. Der Artikel hat sicherlich Interesse geweckt.



      Bei spiegel.de



      "Warum der Begriff »Femizid« strafrechtlich unbrauchbar ist



      Eine Kolumne von Thomas Fischer



      Das Ersetzen strafrechtlicher Begriffe durch kriminologische ist populär, aber falsch. Strafrecht unterscheidet nach Unrechtsgehalten, nicht nach Ideologien."



      Vielleicht gibt es auch hierzu im Wahlkampf zu adressierende Differenzen in den Auffassungen der Politiker:innen.

  • "Doch die Frage, ob es sich bei der Absicht, die Frau zu töten, um Mord oder „nur“ um Totschlag handelt, ist juristisch noch nicht endgültig beantwortet."

    ???



    Die Frage kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern nur im Einzelfall anhand der Tatbestandsmerkmale.

    Ein eigener Straftatbestand für Taten an Frauen, um sie durch die Hintertür als Mord zu bestrafen, ist rechtsstaatlich heikel.

    Ich bin gespannt, ob das Verfassungsgericht das nicht wieder kippen würde.

  • Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb, sind die meisten der sog. Femizide keine, da Frauen nicht getötet werden, weil sie Frauen sind. Frauen erfahren von ihren Partnern in der Beziehung Gewalt, da diese Macht und Kontrolle ausüben wollen und wenn sie diese verlieren, aufgrund eines krankhaften Besitzdenkens, sogar vor Mord nicht zurückschrecken. Machtgefälle, Gewalt und Mord gibt es aber auch, statistisch sogar in jeder zweiten, homosexuellen männlichen Partnerschaften. Die Ursache ist in den meisten Fällen also nicht Hass auf Frauen und es handelt sich daher nicht um Femizide. Bei der Suche nach Lösungen sollte man das bedenken

  • Schön und gut, vielleicht dient es ja der Bewusstseinsbildung, es anders zu nennen als Mord. Aber mehr als die Höchststrafe kann man da auch nicht verhängen.

  • Bedauerlicherweise bleibt die Autorin eine Auseinandersetzung mit Art. 3 GG schuldig. Dabei ist jeder Mensch vor dem Gesetz gleich. Deshalb ist Mord auch stets Mord und die Strafe darauf lebenslänglich. Egal ob es sich dabei um einen sog. Feminizid handelt oder halt nicht.