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Signal für den Osten?

betr.: „Grüne feiern Wiedervereinigung“ u. a., taz vom 21. 1. 02

Werner Schulz’ Entwicklung der letzten Jahre hat etwas Tragisches an sich: 1994, kurz vor der Landtagswahl in Sachsen, bringt er die schwarz-grüne Option ins Spiel. Die Wähler „danken“ es mit 4,8 Prozent, sein Landesverband spaltet sich fast. Oktober 1998: Er vertraut Fischers Zusage, als Vorsitzender der Bundestagsfraktion nominiert zu werden. Fischer ist er zu unsicher und lässt seinen treuen Vasallen Schlauch wählen. [...]

Seine Lektion hat er gelernt: Als Sprecher der Bundestagsfraktion für Wirtschaftspolitik und neue Bundesländer trägt er die neoliberale Politik brav mit. Von Wolfgang Thierse kommen kritische Anmerkungen zur Situation in Ostdeutschland („Osten steht auf der Kippe“). Von ihm kommt: nichts.

Die meisten bündnisgrünen Wähler im Osten haben eine pazifistische Grundeinstellung. Er trägt jede deutsche Kriegsbeteiligung unkritisch mit. Folge: Drastische Verluste bei den Kommunal- und Landtagswahlen im Osten. In Sachsen kandidiert er nicht mehr, weil die dort notwendigen zirka fünf Prozent mit seiner Politik nicht zu holen sind. Neu im Landesverband Berlin schafft er es, Christian Ströbele zu verdrängen, der als Kriegsgegner viele Wähler im Osten eher erreicht hätte als er.

2002: Folgt die Bundespartei den sächsischen Grünen in die außerparlamentarische Opposition? Er hätte seinen Beitrag dazu geliefert, genauso wie für den Aufstieg seiner Intimfeinde von der PDS zur Alternative zu den Grünen. Denn für viele gilt: Besser früher falsch gelegen und heute richtig als umgekehrt.

Schade. Ich habe einmal gerne mit ihm zusammengearbeitet.

HORST SCHIERMEYER, Zittau

Ich habe auch für Werner Schulz als zweiten Kandidaten der Berliner Grünen in der nächsten Bundestagswahl gestimmt, nicht weil ich „bürgerlich“ oder „antilinks“ geworden wäre, sondern weil Werner Schulz eine brillante Rede gehalten hat und seine bisherige Arbeit im Bereich der Wirtschaftspolitik überzeugte. Und wir Grünen ein deutliches Signal setzen müssen, dass der Osten nicht „ausgegrenzt“ wird.

Werner Schulz, das ist die Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Dafür stehen wir. HARALD MÖLLER, Berlin

betr.: „Grünes Personal wird der grünen Politik angepasst“, taz vom 21. 1. 02

Nach der was weiß ich wie vielten in Serie verloren gegangenen Wahl seit dreieinhalb Jahren, nach den manchenorts fast halbierten Wählerstimmen der Grünen ist es schon eine gewagte Einschätzung, die Wähler hätten deren „Pragmatismus bisher honoriert“ und seien „realpolitischer gesinnt als die grüne Basis“.

Ich schätze, es gibt manche Wähler, die sich nach den Kohl-Jahren neue Visionen gewünscht hätten und die nun, nach deren Ausbleiben, kaum einsehen, weshalb Rot-Grün denn weiter gestützt werden soll. Die nach den jüngsten Umfragen zu erwartende Aussicht auf eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung ist ja durchaus nicht unattraktiv: Vielleicht werden manche der allzu realen Realpolitiker ja in einer starken Opposition wieder wach!

STEPHAN SCHULZ, Konstanz

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