Press-Schlag: Sigi statt Dolly
■ Forscher planen Borussias Zukunft
„Dolly!“ schnaubt Dr. Alfons Spiekermann verächtlich. „Solchen Schnickschnack hätten wir schon vor zehn Jahren machen können. Wenn wir wollten, könnten wir ganz Schottland mit ein und demselben Schaf überschwemmen. Aber wir wollen nicht. Wir“, betont der Wissenschaftler, „sind hinter größeren Dingen her.“
Wir befinden uns in den geheimen Forschungslabors des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund unterhalb des alten Stadions Rote Erde, wo ein Team von hochkarätigen Gentechnikern seit rund 25 Jahren an der Verwirklichung eines Traumes arbeitet: die Männer versuchen, den größten Fußballer zu klonen, den Borussia Dortmund je hervorgebracht hat: Sigi Held.
Seit der Stürmer den Verein 1972 Richtung Offenbach verließ, werkeln die Wissenschaftler an einem neuen Held, diesmal allerdings versehen mit einem Gen, das unbedingte Vereinstreue garantiert. Finanziert wird die Forschungsreihe von einem Kreis schwerreicher Borussenfans, die extra zu diesem Zweck eine Sigi-Held-Stiftung gegründet haben, was um so bemerkenswerter ist, als sie die Ausgaben wegen des klandestinen Charakters der Aktion nicht von der Steuer absetzen können.
„Im Laufe der Jahre sind wir unserem Ziel immer näher gekommen“, sagt Projektleiter Spiekermann, „jetzt stehen wir kurz davor, die Früchte unserer Arbeit zu ernten.“ Diese Hoffnung trägt den Namen Lars Ricken, die bislang perfekteste Kopie des jungen Sigi Held. „Er kann sogar singen“, freut sich der Biologe, „dafür fehlt ihm ein wenig die Bulligkeit.“
In den ersten Jahren, räumt Spiekermann ein, habe es verheerende Fehlentwicklungen gegeben. „Unser erster Entwurf war die reinste Katastrophe. Von Fußball keine Ahnung. Das einzige, was gestimmt hat, waren die Augenbrauen. Heute fristet der arme Kerl ein jämmerliches Dasein als Finanzminister.“ Die nächste Variante sei für einen Fußballspieler viel zu hübsch gewesen und gleich nach Hollywood geschickt worden. „Er nennt sich jetzt Gere. Erst kürzlich hat er mich angerufen und gefragt, wie er das blöde Augenzucken wegkriegen kann. Ständig wird er neuerdings gefragt, ob er für die Rolle der bezaubernden Jeannie übt.“
Nach diesen Flops seien die Ergebnisse immer besser geworden, obwohl Prototypen wie Rüßmann (zu klobig, zu geschäftstüchtig), Raducanu (zu skurril), Zorc (zu dürr, zu unauffällig) weit entfernt vom Forschungsziel gewesen seien. Das Modell Ricken stimme ihn jedoch zuversichtlich. „Der nächste“, da ist Spiekermann sicher, „wird ein Volltreffer.“ Und was kommt danach? Der Tatendrang des Forschungsteams „Rote Erde“ ist ungebremst: „Dann klonen wir Emmerich.“ Dolly? – „Pah.“ Matti
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