Sieg für Fußball-eNationalmannschaft: Adler vor dem Bildschirm

Der DFB lädt zum ersten Freundschaftsspiel der eNationalmannschaft. An der Konsole haben die Niederländer keine Chance.

MoAuba und Megabit sitzen angespannt in Cpmutersesseln vor der Konsole. Im Hintergrund zeigt ein großer Bildschirm, was gerade im Spiel geschieht

Die deutschen Nationalzocker MoAuba (l.) und Megabit (r.) beim eNations Cup im April Foto: dpa

HAMBURG taz | Leibhaftige Zuschauer sind eigentlich nicht vorgesehen. Aber als die deutsche eNationalmannschaft beim ersten Heimspiel ihrer Geschichte uneinholbar mit 3:1 in Führung liegt, sind die Aufpasser am Eingang des Edelfettwerks, einer Eventlocation im Norden Hamburgs, auf Anweisung des DFB großzügig geworden. Geschlossene Gesellschaft hieß es noch davor. Sie können sich die Spiele nur im Internet über einen Livestream ansehen.

Nun dürfen Pressevertreter doch vor dem letzten Schlusspfiff rein in den sogenannten LaborClub, einen Flachbau. Im Barraum, der durch unzählige kleine runde rot getönte Scheiben in entsprechendes Licht getaucht ist, halten sich etwa zehn Leute auf und schauen mehr oder minder interessiert auf einem Fernseher, der das letzte bedeutungslose Doppelduell an der Playstation vom Nachbarraum überträgt.

Durch den offenen Durchgang kann man die Protagonisten auch direkt sehen. Sie sitzen in Trainingshose und den jeweiligen Nationaltrikots hinter einer Sponsorenwand und vor einem Computer. Die beiden Nationaltrainer schauen ihren Schützlingen über die Schulter. Ausgeleuchtet wird die Szenerie von grellen Scheinwerfern und aufgenommen von mehreren Kameras – sterile Studioatmosphäre.

Publikum, das mit jeder gelungenen Aktion am Controller mitgeht, ist dem deutschen Nationalspieler Mohammed Harkous lieber. So wie bei der Weltmeisterschaft in London im August, als er den Titel und ein Preisgeld von 225.000 Euro gewann. Nach der gelungenen Studioheimpremiere in Hamburg sagt er: „Wenn wie bei der WM Tausende Zuschauer da sind, hat man Spaß, will denen zeigen, was man kann. Ich bin so einer, der das genießt. Ich bin 0,0 nervös. Online-Zuschauer sind immer viele da, aber die sieht man halt nicht. Das sind irgendwelche Zahlen im Internet.“

Ein Kilometer zur analogen Welt

An diesem Nachmittag hat der DFB über 40.000 User gezählt, die über Twitch, YouTube und DFB-TV auf den Livestream zugegriffen haben. Aber Harkous, der in der digitalen Welt nur unter seinem Künstlernamen MoAuba bekannt ist, hat Verständnis. Es sei zwar das erste Heimländerspiel, aber ein Freundschaftsspiel und deshalb schon allein wegen der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen viel zu aufwendig, Zuschauern den Zutritt zum Ort des Geschehens zu ermöglichen.

Analog zur wirklichen Welt hat der DFB an diesem Tag die digitale Premiere angesetzt. Wenige Stunden vor der EM-Qualifikationsbegegnung zwischen Deutschland und den Niederlanden im von hier nur einen Kilometer entfernten Volksparkstadion findet der Ländervergleich auch an der Playstation statt. „Fifa 20“ wird gezockt, drei Doppel und zwei Einzel. Jedes Team stellt vier Spieler. Am Ende steht es 4:1 für Deutschland.

Mohammed Harkous, Weltmeister:

„Spielerisch müssen wir noch viel machen, aber das ist normal. Wir müssen erst mal Gas geben, wenn das Spiel rauskommt“

Die Atmosphäre im LaborClub mag künstlich wirken, der Stolz der Protagonisten ist echt. Auf die Frage, ob zu Beginn auch die Nationalhymnen gespielt wurden, antwortet Mohammed Harkous: „Es würde hier zu sehr schallen, deshalb konnten wir leider nicht mitsingen.“ Es sei eine Ehre, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Bei der erstmals ausgetragenen Team-WM im April in London, die auch der damalige DFB-Interimspräsident Dr. Rainer Koch besuchte, sei die Hymne vorab gespielt und mitgesungen worden. Genau so also, wie man das von Joachim Löw und seinen Kickern kennt.

Die Statements nach dem eLänderspiel gegen die Niederlande ähneln ebenfalls sehr dem „echten“ Fußball. Harkous bilanziert: „Spielerisch müssen wir noch viel machen, aber das ist normal. Wir müssen jetzt ein paar Wochen Gas geben, wenn das Spiel rauskommt.“ Gemeint ist damit die eigentliche Herausgabe der Fußballsimulation „Fifa 20“ Ende September. Die Version wurde in Hamburg das erste Mal werbewirksam offiziell gespielt, mit seinem Engagement im eFußball ist der DFB nun auch ein Marketinginstrument des US-amerikanischen EA Sports.

Elektro auf dem Ohr, Fußball am Controller

Michael Bittner, der an der Konsole einfach nur „MegaBit“ heißt, ist von seinem ersten Heimländereinsatz auch sehr angetan. „Einzigartig“ sei es, sein Land vertreten zu dürfen. Mit Harkous hat er dieses Jahr für Werder Bremen schon die Deutsche Meisterschaft gewonnen. An diesem Freitag trägt er vor dem Computer die Rückennummer 18 auf dem DFB-Trikot. Für ihn sei das Publikum nicht so wichtig, erklärt er. Er schottet sich sowieso mit Musik ab. Über seinen Kopfhörer hört er Pop und Elektro, während er für Deutschland am Controller kämpft.

Die jüngst vom DOSB noch einmal befeuerte Debatte, ob eSport auch als Sport gelten darf, berührt die Nationalspieler Bittner und Harkous nicht besonders. Harkous verweist darauf, dass in dem vom DOSB in Auftrag gegebenen Gutachten eSport zwar nicht als Sport betrachtet wird, aber Fußballsimulationen etwa, die analogen Sport virtuell nachbilden, ausgenommen und positiv bewertet werden.

Für Bittner ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das traditionelle Sportbild verändert. Die Entwicklung sei nicht aufzuhalten, das würden ihm schon die großen Veränderungen in den letzten drei Jahren zeigen. „Je früher man den eSport unterstützt, statt ihn zu kritisieren, desto besser ist es für alle Parteien.“

Noch aber wirken auch die Bemühungen des DFB im LaborClub nahe dem Volksparkstadion irgendwie laborhaft. Der Livestream stockte beim Heimländerspieldebüt stetig. Und bei der von der Uefa organisierten „eEuro 2020“, die parallel zur Fußball-Europameisterschaft stattfindet und für die sich der DFB bereits angemeldet hat, gibt es bereits ein dickes Problem. Denn es wird mit „Pro Evolution Soccer“ eine andere Fußballsimulation gespielt – vom japanischen Unternehmen Konami, dem Exklusivpartner der Uefa. Die EA-Sports-Spezialisten Bittner und Harkous hätten bei dem völlig anderen Spiel keine Chance. Der DFB müsste noch einen PES-Kader nominieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.