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Sieg Walesas über Mazowiecki

■ Örtliche Bürgerkomitees lehnen Zentralisierung ab / Verschärfung der Polemik zwischen den Lagern / Steht die Präsidentschaftswahl Walesas bevor? / Neue Parteienkonstellation ist absehbar

Warschau (ap/taz) - Wie schon vor einigen Wochen haben die Anhänger einer landesweiten Koordination der Bürgerkomitees „Solidarnosc“ am Sonntag eine Niederlage erlitten. Eine überwältigende Mehrheit der 136 Delegierten aus allen Landesteilen Polens, die sich im Warschauer Sejm, dem Parlamentsgebäude versammelt hatten, stimmte nur unregelmässigen Konferenzen zu, nicht aber ständigen Gremien. Damit hat sich die Konzeption Lech Walesas und seines Beraters Zdzislaw Najder durchgesetzt, die beide auf alle Fälle verhindern wollten, daß sich - wie bei den letzten Wahlen - auf nationaler Ebene ein einheitliches Komitee bewirbt. Walesa, dessen Anhänger sich kürzlich in einer Zentrumsallianz zusammengeschlossen hatten, will die Bürgerkomitees auf die Rolle örtlicher Basisgruppen beschränken, in denen auch Vertreter der politischen Parteien mitarbeiten können. Nur in diesem letzten Punkt folgten ihm die Delegierten am letzten Sonntag nicht. Ihr Entscheid ist ein schwerer Schlag für die Gewerkschafter und Intellektuellen, die vor zwei Wochen die „Demokratische Aktion“ gegründet hatten und die die Bürgerkomitees zu einer „Bewegungs-Partei“ hatten ausbauen wollen. Walesa hatte gegenüber diesen Plänen eingewandt, sie zementierten eine Koalition auseinanderstrebender Interessen und Weltanschauungen und behinderten das Entstehen eines pluralistischen Parteiensystems. Tatsächlich ist es den diversen Parteiansätzen, die sich seit den späten 80er Jahren gebildet hatten, nicht gelungen, organisatorisch Fuß zu fassen. Ob ihnen das jetzt, nach dem Ende des Bürgerkomitees als landesweit operierender politischer Kraft besser glücken wird, ist indes ungewiß - es mangelt ihnen an konkreter Programmatik wie an überzeugenden Persönlichkeiten. Andererseits hatte sich das in den Bürgerkomitees zusammengeschlossene Bündnis zwischen Katholiken, die der katholischen Soziallehre verpflichtet waren, Gewerkschaftern, die mit der „ersten“ Solidarnosc 1980/81 groß geworden waren und liberalen Intellektuellen bewährt. Es war und ist diese gesellschaftliche Koalition, die die Regierung Mazowiecki stützt. Walesa hingegen strebt eine neue Mitte-Rechts-Koalition an. Er fördert den Kult des nationalen „Retters“ und verspricht, als Präsident „wenn nötig mit dem Beil“ die Reformen zu beschleunigen. Da keine Zeit zu verlieren sei, müsse das jetzige Parlament ihn an Stelle Jaruzelskis aufs Schild heben. Die Anhänger der „Demokratischen Aktion“ kritisieren den politischen Stil Walesas als autoritär und fordern die direkte Wahl des Präsidenten durchs Volk. Die Auseinandersetzung zwischen Walesa einerseits, Bujak, Frasyniuk, Turowski und den katholischen Freunden Mazowieckis andererseits stellt die Polen vor eine peinigende Situation, weil die meisten Anhänger der Solidarnosc nicht zwischen Walesa und Mazowiecki wählen wollen. Aber die Tonlage der Polemik zwischen den Lagern wird immer unversöhnlicher. Die Anhänger der Demokratischen Aktion sehen sich als Kryptokommunisten diffamiert. Ihr vorsichtiges, auf Ausgleich und „Evolution“ zielendes Verständnis der Reformen wird als der Versuch gebrandmarkt, alte Strukturen des Realsozialismus zu retten. Unter diesen Bedingungen ist eine Neuformierung der politischen Lager vorgezeichnet. Dabei werden sich die wiederentstandene Bauernpartei, das Mitte-Rechts-Bündnis Walesas und eine Mitte-Links-Koalition, deren Konturen freilich noch ganz unklar sind, gegenüberstehen.

C.S.

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