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Sie reden so komisch

■ "Snakes and Ladders", ein Film von Trish McAdam, findet ein ungewohntes Dublin in Lockenwicklern und ohne Gardinen

Was Film angeht, scheint Dublin die Stadt der Stunde zu sein. Dort trifft in der Regel gerne katholische Prüderie auf biergetränkte Lebenslust. Das Dublin von „Snakes and Ladders“ dagegen ist eine ganz normale Stadt, keine Metropole, aber auch kein Dorf. Hier leben Menschen, wie sie auch in anderen europäischen Städten leben könnten. Vielleicht trinken sie ein bißchen mehr. Und sie reden komisch. So komisch, daß die Synchronfirma eine solche Katastrophe ablieferte, daß der Verleih die deutsche Fassung zurückzog und den Film nun lieber mit Verzögerung und als Original mit Untertiteln ins Kino bringt.

Dieses Dublin hat Clubs und Pubs, Flohmärkte und Altbauwohnungen ohne Gardinen vorm Fenster. In diesem Dublin sind die Menschen nicht sehr hübsch, aber auch nicht ausgesprochen häßlich. Manche tragen auch Knautschgesichter. Eigentlich sehen sie aus wie du und ich. In diesem Dublin gibt es Kleinkünstlerinnen, die von der Karriere träumen, in verregnete Nebenstraßen pinkeln und fröhlich Männerärsche bewerten. Es gibt musizierende Männer, die in der Kneipe den Bierkonsum anheizen und morgens nicht aus dem Bett kommen. Diese Menschen machen sich den Heiratsantrag auf der muffeligen Toilette des Stammlokals und überreichen wenig feierlich einen Barbie-Verlobungsring. Diese Menschen beginnen dann plötzlich beim Frühstück zu schmatzen und Lockenwickler zu tragen, von labberigen Morgenmänteln ganz zu schweigen. Und plötzlich wird aus der funktionierenden Beziehung eine Ehe, die mit ihrer Krise nicht warten will, bis sie überhaupt geschlossen wurde. Es folgen Verwicklungen, die meist tragisch, noch öfter komisch, aber vor allem immer wundervoll alltäglich sind.

Die Trennung eines Paares stürzt nicht nur die beiden ins Liebesleid, sondern bringt auch noch sämtliche verfügbaren Freundschaften durcheinander, setzt aber auch ein paar eingestaubte Lebensläufe in Gang und ungeahnte Kreativität frei. Die Kleinkünstlerin wird TV-Moderatorin, der Musikant schreibt im Frust den ersten Hit seiner Band, und der Sänger lobt: „Du solltest dich öfter trennen.“ Die Krise als Chance, dann ist Dublin ein wenig in Aufruhr, aber kehrt schnell zur üblichen Betriebsamkeit zurück. Allerdings nicht ohne daß zuvor noch ein Kind gezeugt worden wäre. Und alte Freunde bleiben immer gute Freunde.

In dem Dublin aus vielen anderen Filmen möchte man gerne ein paar wild durchzechte Nächte verleben. In dem Dublin aus „Snakes and Ladders“ möchte man vielleicht nicht unbedingt leben, aber man könnte es sich ganz gut vorstellen. Es ist gewissermaßen ein Dublin von nebenan. Thomas Winkler

„Snakes and Ladders“. Regie und Buch: Trish McAdam. Mit: Pom Boyd, Gina Moxley, Sean Hughes u.a. Irland/BRD/England 1995, 90 Min.

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