piwik no script img

Sherlock Holmes in der ARDGefährliche Gefühle

Zum Auftakt der zweiten „Sherlock“-Staffel verliebt sich Holmes, klaut Aschenbecher – und gehört zum Besten, was das britische Fernsehen zu bieten hat.

Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes und Martin Freeman als Dr.Watson. Auch die zweite Staffel ist einfach viel zu kurz. Bild: ARD Degeto/BBC/Hartswood Films/Colin Hutton

Eigentlich ist alles wie immer: Sherlock Holmes philosophiert auf seiner Website über 240 Sorten Tabakasche, Mrs. Hudson findet im Kühlschrank neben der Majonnaise eine Tüte mit abgeschnittenen Daumen, und Dr. Watsons Blog, in dem er die aktuellen Fälle dokumentiert, geht klickmäßig durch die Decke. Doch im aktuellen Fall sind die britische Krone verwickelt sowie eine gewisse Irene Adler, was alles ziemlich kompliziert macht.

Denn auch ein hochintelligenter Soziopath wie Sherlock hat Gefühle, auch wenn er sich das selbst nicht so wirklich eingesteht. Anders als in Conan Doyles Original-Holmes ist Adler hier allerdings nicht Opernsängerin, sondern Domina, was „Ein Skandal in Belgravia“ zu jeder Menge intelligenter Anzüglichkeiten Anlass gibt. „Ich hoffe, es beunruhigt dich nicht – es hat etwas mit Sex zu tun“, sagt Sherlocks Bruder Mycroft über den Beruf der Frau – „Sex beunruhigt mich nicht.“ – „Woher willst du das wissen?“ Gute Frage.

Nicht dass da niemand Gefühle für Mr. Holmes hätte. Doch ausgerechnet zu Weihnachten macht er sich bei der Gerichtsmedizinerin Molly Hooper, die ihn anhimmelt und auch in dieser Staffel wieder so eine Art „Alberich“ gibt, völlig unmöglich. Doch da sitzt Sherlock schon in ein Betttuch gehüllt im Buckingham Palace – und klaut Aschenbecher.

Benedict Cumberbatch als Sherlock und die Stoffeligkeit, mit der Martin Freeman den Watson gibt, gehören auch in der 2. Staffel von „Sherlock“ zum Besten, was das britische Fernsehen zu bieten hat. Zumal die BBC diesmal darauf verzichtet hat, Watsons Trauma als Afghanistanveteran übermäßig weiterzuspinnen und sich selbstverliebt in der Konfrontation alter viktorianischer Holmes-Elemente mit dem cool-digitalen 21. Jahrhundert zu verlieren.

Gelungene Synchronisation

Adler hat auf ihrem Smartphone kompromittierende Dokumente aller beliebigen Geheimhaltungsstufen, hinter denen auch die CIA her ist, auch der internationale Terrorismus ist natürlich dabei. Doch darauf kommt es nicht wirklich an – es geht um das Machtspiel Holmes-Adler. Wobei hinter der hochintelligenten Domina (Lara Pulver) natürlich in letzter Instanz James Moriaty steht, Sherlocks ewiger Widersacher.

Die viel geschmähte Degeto hat der ARD-Version eine gelungene Synchronisation besorgt und auch alle anderen Elemente, mit denen „Sherlock“ den Fernsehkrimi weit nach vorne bringt, sauber ins Deutsche herübergerettet. Das ist leider nicht immer TV-Selbstverständlichkeit.

Und wenn die viel zu kurze – wieder nur in drei Teilen – Staffel am 28. Mai vorbei ist, bleibt die Sehnsucht nach den subtilen Einfällen von Drehbuchautoren wie Steven Moffat und Steve Thompson. Nach der Kamera von Fabian Wagner. Und vor allem nach der Regie von Maul McGuigan und Toby Haynes, die mit diesem Sherlock Holmes bei aller Surrealität tatsächlich die ideale Kombination von Spannung und selbstironischer Parodie geliefert haben. Bei allem Respekt vor dem überbordenden deutschen TV-Krimi-Schaffen: So etwas gibt es hierzulande nicht. Wieso gleich noch mal?

„Ein Skandal in Belgravia“, Donnerstag, 17. Mai, 20.15 Uhr, ARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • O
    Overstated

    Zum Einschlafen, schade.

  • G
    Gerald

    "So etwas gibt es hierzulande nicht. Wieso gleich noch mal?"

     

    Ja, wieso eigentlich nicht? Im Vergleich (ich wohne in England) mit den deutschen Serien faellt mir immer wieder auf dass die englischen Unterhaltung produzieren, veile deutsche hingegen verkrampft Botschaften vermitteln wollen. Kombiniert mit dem Wunsch nach 'kuenstlerischem Anspruch', den deutsche Regisseure immer zu haben scheinen bewirkt das die Misere.

     

    Was mir auch auffaellt: in England werden gut gelaufene Serien fortgesetzt bzw das Erfolgsschema wird analysiert und weiterentwickelt. Deutsche Erfolgsstaffeln werden hingegen meistens voellig igoriert (Raumpatrouille, Das Boot - Riesenerfolge, im ersten Fall Kultstatus, aber wo ist das sequel oder prequel oder eine Serie die das Konzept mutzt???)

     

    Wa snatuerlich auch sehr haeufig fehlt ist irgendein Sinn fuer Humor (Derrick ist da ein Paradebeispiel). Ausnahmen (Hafenrevier) betsatigen die Regel.

     

    Man koennte natuerlich von England lernen wenn man denn wollte..

  • AP
    Andreas Praefcke

    Es mag bessere und schlechtere Synchronisationen geben. Eine Verstümmelung des Kunstwerks sind sie immer (da schreit komischerweise nie ein Urheber auf, solange das Geld stimmt, ist es mit der künstlerischen Integrität ja meist nicht weit her).

     

    Man mag also auch eine ausnahmsweise bessere Synchronisation mal loben. Ein "ceterum censeo", dass das öff.-r. Fernsehen mit der beharrlichen Weigerung, Geld für Zweikanalton-Lizenzen auszugeben, stark zur Verdummmung der deutschen Gesellschaft beiträgt und seinem Auftrag nicht gerecht wird, wäre trotzdem schön, und zwar bei jeder Kritik einer fremdsprachigen, fürs deutsche Fernsehen verunstalteten Sendung (ob Film oder Fernsehserie).

  • X
    XXX

    Warum werden solche Sendungen eigentlich nicht mit Zweitsprache Englisch und Untertiteln übertragen? Ich habe den Verdacht, dass die öffentlich-rechtlichen einfach ein paar Euro an Rechten sparen wollen und wir so um diese Bildungsmöglichkeit gebracht werden.