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Archiv-Artikel

Sheriffs im Wettbewerb

Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann präsentiert nach den Ereignissen in Kiel gleich mehrere Vorschläge zur Terrorbekämpfung – und stößt damit bei seinem Schleswig-Holsteinischen Amtskollegen Ralf Stegner (SPD) auf Kritik

Von Kai Schöneberg

Die Bahn-Bomben sind nicht detoniert. Dafür wollen einige Innenpolitiker die Hysterie nach den fehlgeschlagenen Attentaten auf Regionalzüge nutzen, um ein kleines Feuerwerk an Sicherheitsgesetzen zu entzünden. „Würden unsere Gesetze DNA-Tests in größerem Umfang zulassen, zum Beispiel bei allen Asylbewerbern, hätte der terrorverdächtige Youssuf Mohamed el-H. schon vor Wochen festgenommen werden können“, forderte gestern „Heimat Hamburg“, die Partei des ehemaligen Justizsenators Roger Kusch. „Falsch“ fände es auch Uwe Schünemann, „in dieser Situation zu sagen, ich lege die Hände in den Schoss“. Niedersachsens CDU-Innenminister präsentierte gestern eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Terrorgefahr zu bannen. Das Vorpreschen blieb nicht ohne Kritik: „Ich muss beim Wettbewerb um den drastischsten Vorschlag des Tages nicht mitmachen“, sagt Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) zur taz. Schünemanns Vorgänger Heiner Bartling (SPD) formuliert es noch deutlicher: „Es ist schlimm, dass nach jedem solchen Vorgang ein reflexartiges Geblähe einsetzt, was man noch alles machen kann“.

Schünemann hatte zwei Tage nach der Ergreifung des mutmaßlichen Bombenlegers in Kiel gleich mehrere Vorschläge zur Terrorbekämpfung ins Rennen geworfen. Streit zwischen den Kollegen Innenministern gibt es bei der geplanten Anti-Terror-Datei, in der Geheimdienste und Polizei Erkenntnisse über potentielle Gefährder verewigen sollen: Schünemann will neben einem bloßen Indexeintrag auch noch Inhalte in der Datei speichern wie die Religionszugehörigkeit oder den Aufenthalt eines Verdächtigen in einem Ausbildungslager. „Auch ‚Mitglied der Hisbollah‘ ist ein Feld, das da aufgenommen werden muss“, sagte der Minister. Stegner sieht darin ein Verwischen der Grenzen zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Deshalb hält er auch „solch ein Störmanöver nicht für hilfreich“. Bund und Länder hätten sich bereits auf Grundzüge für eine Datei geeinigt, betont Stegner. Wenn die Datei das Trennungsgebot aufweiche, „scheitern wir in Karlsruhe“, sagt der SPD-Mann.

Auch beim vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten niedersächsischen Gesetz zur präventiven Telefonüberwachung will der Niedersachse Schünemann einen neuen Anlauf wagen. Hier liegt die Meinung zwischen SPD- und CDU-Innenminister gar nicht so weit auseinander. Da die FDP auf Landesebene beim vorbeugenden Schnüffeln nicht mitmacht, denkt Schünemann an ein Gesetz auf Bundesebene. Das Urteil des Verfassungsgerichts habe das Abhören ohne konkreten Tatverdacht nicht generell verworfen, betonte der Minister. Also sei es „richtig, das auf den Terrorismus zu beschränken“. So will Schünemann „schon Hinweise sammeln können, bevor jemand eine Bombe baut.“ Er wolle das in der Innenministerkonferenz „noch mal durchdiskutieren“.

Stegner warnte Schünemann zwar davor, „sich erneut eine blutige Nase in Karlsruhe zu holen“. Allerdings ermögliche auch das neue schleswig-holsteinische Landespolizei-Gesetz präventives Abhören, um Terroristen zu fassen. Stegner betont, er habe quasi „aus der Begründung des BVG abgeschrieben“.

Der CDU-Hardliner Schünemann würde am liebsten auch die Rasterfahndung wieder aufleben lassen, die in vielen Bundesländern nach den Anschlägen vom 11. September durchgeführt worden war. Der in Kiel festgenommene mutmaßliche Bombenleger wäre beim Rastern sicher „auffällig geworden“, sagt der Minister. Leider habe das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Regelung, bei der Daten von tausenden Unbescholtenen geprüft werden, aber kassiert. Stegner betont dazu, sein Bundesland habe den Datenabgleich als letztes Bundesland eingeführt – und das auch nur befristet.

Auch Schünemanns Wunsch nach mehr bewaffneten Zugbegleitern findet wenig Gegenliebe beim Innenminister aus Schleswig-Holstein. Die „Train-Marshalls“ seien wegen des riesigen Personalaufwands „eine Illusion“. Immerhin sind sich die Innenminister bei einem einig: Auch Stegner hält die Videoüberwachung „vernünftig eingesetzt“, für ein probates Mittel, um Bombenleger zu ertappen.