Sexarbeit in Zeiten von Corona: Auf der Strecke geblieben

Während fast überall Corona-Maßnahmen gelockert werden, bleiben Bordelle geschlossen. Prostituierte fordern, das zu ändern.

Eine Frau hält eine Sexpuppe im Arm

Sex mit Maske? In Berlin protestieren Menschen für die Öffnung von Bordellen Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Es ist die letzte Sitzung des Bundesrats vor der Sommerpause. Mehrere Dutzend Prostituierte haben sich am Freitagmorgen vor dem Gebäude, in dem bald die 16 Ministerpräsident*innen eintreffen sollen, zusammengefunden. Sie demonstrieren für die Wiedereröffnung von Bordellen in Deutschland. Damit Prostituierte nicht weiter in die Illegalität getrieben werden, müssen die Länder jetzt handeln, fordern die Demonstrierenden.

Seit Beginn der Corona-Pandemie verbieten die Bundesländer das „Betreiben eines Prostitutionsgewerbes“. Auch die Vermittlung von Prostitution ist tabu. In 10 von 16 Bundesländern ist zudem das Erbringen von sexuellen Dienstleistungen an sich ausdrücklich untersagt. Bordelle bleiben geschlossen, Tabledance-Bars und Klubs ebenso. Als einziges Bundesland hatte Rheinland-Pfalz angekündigt, Bordelle ab Mitte Juni wieder zu öffnen – um dann einen Rückzieher zu machen.

Die finanzielle Situation der Sexarbeiter*innen wird indes immer schwieriger. Staatliche Hilfen, die beispielsweise an Soloselbstständige ausgeschüttet wurden, erreichen die Prostituierten häufig nicht, weil nur Betriebskosten übernommen werden. Für die meisten Sexarbeiter*innen entstehen die jedoch nur, wenn sie tatsächlich arbeiten. Wer keinen festen Wohnsitz oder Aufenthaltstitel hat, fällt ohnehin durch die sozialen Sicherungssysteme. Lebenshaltungskosten bleiben jedoch unverändert bestehen.

Um die abzufangen, hatten der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V., die Beratungsstelle Hydra und die Diakonie Baden-Württemberg zu Beginn der Corona-Krise Nothilfefonds aufgelegt. „Inzwischen sind die Töpfe leer“ erklärt Stephanie Klee, die als Sexualassistentin in Alten- und Behinderteneinrichtungen arbeitet.

Gefährliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Stattdessen werden die Sexarbeiter*innen ans Jobcenter, Tafeln und die Obdachlosenhilfe verwiesen. „Das verletzt unseren Stolz“, erklärt Klee, „wir wollen autonom sein, wir wollen keine staatlichen Hilfen.“ Hinzu komme für viele die Sorge, von Behörden für ihren Beruf diskriminiert zu werden. Die Hürde, zum Jobcenter zu gehen, ist hoch.

Das gegenwärtige Arbeitsverbot in 10 der 16 Bundesländer bedeutet für viele Sexarbeiter*innen neben der existenziellen Not vor allem eines: eine gefährliche Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. „Wenn wir durchs staatliche Raster fallen, haben wir keine Wahl und müssen trotzdem anschaffen gehen“, erklärt Klee. In sechs Bundesländern sind Haus- und Hotelbesuche erlaubt. Die Sicherheit eines Bordells fällt für die Prostituierten jedoch weg. „Viele Kolleg*innen wissen nicht, was sie bei einem Hotelbesuch beachten müssen, um sich zu schützen“, warnt sie.

Dass Kontaktsportarten wie Boxen und Ringen wieder erlaubt sind, Massage- und Tatoostudios wieder öffnen dürfen, während Bordelle geschlossen bleiben sollen, „entbehrt jeder Logik“, schreibt der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen in seiner Pressemeldung. „Dass auf unseren Berufsstand herab geschaut wird, zeigt sich auch daran, dass sich lange niemand von sich aus an einen Tisch gesetzt hat“, erklärt auch Klee, „Wir werden totgeschwiegen“.

In der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Österreich und Tschechien ist Sexarbeit inzwischen wieder erlaubt. Der Bundesverband fordert, Bordelle auch hierzulande wieder zu öffnen – mit den entsprechenden Hygienekonzepten: So sollen beispielsweise Besuche von Kund*innen dokumentiert, ein Mund-Nasenschutz getragen und die Räume regelmäßig desinfiziert und gelüftet werden. In Tabledance-Bars, Kinos und Klubs soll ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden. Zumindest mit Sachsen, Thüringen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist der Berufsverband nun im Gespräch.

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