: Sex, Lügen, Pornotapes
■ Auf der Berlinale waren auch die Hamburger Dokumentarfilme „Sex/Life In L.A.“und „Didn't Do It For Love“zu sehen
Es ist nicht eben so, daß Pornographie und deren Akteure derzeit in den Medien unterrepräsentiert wären. Gleichwohl kennen wir L.A. nicht vorwiegend als „Epizentrum männlich-schwuler Bilderwelten“, und Stars der Gay-Porno-Szene gehören heute noch immer nicht ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sex/Life In L.A. handelt genau davon: In Gesprächen mit neun jungen Männern vermittelt der Hamburger Filmemacher Jochen Hick Einblicke in Erwartungen und Enttäuschungen innerhalb des schwulen Erotik-Kosmos'.
Das Arrangement mit dem Traum, es zum Supermodel oder Porno-Star zu bringen, steht im Zentrum der Begegnungen. Ob wir den Hoffnungen eines Straßenstrichers auf dem Santa Monica Boulevard zuhören, dem Absturz eines ehemaligen Porno-Darstellers folgen, Teil der Selbstinszenierung von Porno-Superstars wie Matt Bradshaw werden oder vom Supermodel Tony Ward über seine Beziehung zu Madonna hören – jeder erzählt von Überlebensstrategien in einer Welt, die nur auf das Kapital des Körpers gebaut ist. Dabei verfolgt Sex/Life In L.A. diese Strategien, ohne den Erzählungen der Akteure etwas entgegenzustellen. Die seltene Intimität ist Hick wichtiger als der filmische Kommentar, der – gerade wenn er gelegentlich aufzublitzen scheint – der Produktion umso spürbarer fehlt.
Noch eindeutiger begleitend verfährt die Kamera in Monika Treuts Didn't Do It For Love, der ebenfalls im Panorama-Programm zu sehen war. Der Film erklärt sich bewußt zum Forum für Eva Norvind und ihre Lebensgeschichte. Systematisch zeichnet sie selbst, unterstützt durch Freunde und Familie, ihre Stationen nach: 1944 geboren als Kind eines russischen Prinzen und einer finnischen Bildhauerin in Norwegen, Showgirl in Paris und Quebec, Pin-Up-Ikone in Mexiko, Fotografin und Journalistin, Underground-Salon-Dame, Domina und S/M-Pädagogin in New York. Die Beziehung zwischen Sexualität, Ausbeutung, Eigenständigkeit, Selbst- und Grenzerfahrung wird in jedem dieser Lebensabschnitte wichtig: Didn't Do It For Love zeigt Eva Norvind mit so unterschiedlichen Gesichtern verknüpft, daß eine klare Einordnung permanent unterlaufen wird. Sie selbst kommentiert alte Filmausschnitte mit den Worten: „Feels like it is another woman.“
Eben dieser Ungreifbarkeit, die gerade in ihrer Mehrdimensionalität fasziniert, kann bisweilen die Kamera nicht gerecht werden. Aber vielleicht erzählt auch das etwas über Eva Norvind: „It's easy to travel around the world – what's difficult is to stay in one place with myself.“ Jan Distelmeyer
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