: Serbien will wieder verhandeln
■ Präsident Milosevic will sich Friedenkonferenz am 6.Mai nicht widersetzen/ Am Montag soll die „Bundesrepublik Jugoslawien“ proklamiert werden/ Waffenstillstand in Bosnien gebrochen
Belgrad/Sarajewo (afp/ap) - Der serbische Präsident Slobodan Milosevic hat dem EG-Unterhändler Peter Lord Carrinton versprochen, seine Anstrengungen für eine Beendigung des Bürgerkriegs in Jugoslawien zu verdoppeln. Milosevic habe nichts dagegen gehabt, am 6.Mai die Friedenskonferenz in Brüssel wiederaufzunehmen, erklärte Carrington, der zusammen mit dem EG- Ratspräsidenten und portugiesischen Außenminister Joao de Deus Pinheiro am Freitag nach Zagreb weiterfahren wollte, um den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zu treffen. Milosevic wies jedoch den Vorwurf zurück, daß Serbien als Agressor im Bürgerkrieg zu gelten habe. Mit diesem Vorwurf, den die USA vor Ostern und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vorgestern erhoben, ist die Regierung in Belgrad unter erheblichen Druck geraten, den sie abwenden möchte, um ihren KSZE-Sitz nicht zu verlieren und das Erbe Jugoslawiens antreten zu können. Zu diesem Zweck verabschiedete das jugoslawische Rumpfparlament, das nur noch aus serbischen und montenegrischen Abgeordneten besteht, am Donnerstag abend in Belgrad den Entwurf einer Verfassung für eine „Bundesrepublik Jugoslawien“. Am Montag soll diese als Rechtsnachfolgerin Jugoslawiens proklamiert werden. Für den 30. Juni sind Parlamentswahlen in dem neuen Bund vorgesehen. Die serbische Opposition übte heftige Kritik an dem Vorgehen des Parlaments und blieb der Abstimmung fern. Sie bemängelte, es habe weder eine öffentliche Auseinandersetzung noch eine Volksabstimmung zu der neuen Verfassung gegeben, und der Torso des alten Parlaments reiche nicht aus, um die neue Verfassung zu legitimieren.
Unterdessen ist der Waffenstillstand in Bosnien-Herzegowina, den Lord Carrington und Joao de Deus Pinheiro gestern vermittelten, bereits wieder gebrochen worden. Kurz nach der Zustimmung von kroatischen, moslemischen und serbischen Vertretern kam es zu schweren Artilleriegefechten in Sarajewo und nördlich von Bosanski Brod, wo die einzige Öl-Raffinerie der Republik in Flammen aufging. Am Freitag morgen wurde das vierte Flugzeug der Bundesarmee binnen 24 Stunden abgeschossen. Die Bundessoldaten durchbrachen noch am Donnerstag abend in einer Blitzaktion eine seit September blockierte Kaserne in Capljina und evakuierten 170 Soldaten und Zivilisten. Unsicher ist nun, ob die von den drei Volksgruppen Bosniens vereinbarte Sitzung am 28.April in Lissabon, in der die Zukunft der Republik erörtert werden sollte, stattfinden kann. Deutschland, Frankreich und Polen riefen gestern den UN-Sicherheitsrat um eine Dringlichkeitssitzung zu Bosnien an. Auch dort sollten Blauhelme stationiert werden.
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