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Serbien kritisiert EG-Vermittlung

■ In Bosnien-Herzegowina sollen am 10. November Serben über einen Anschluß an Serbien abstimmen/ Unterdessen gehen die Kämpfe in Slawonien und um Dubrovnik mit unverminderter Schärfe weiter

Belgrad (afp) — Die serbische Führung zog gestern die Unparteilichkeit der EG bei der bislang gescheiterten Friedenskonferenz in Den Haag in Zweifel und zog damit Konsequenzen aus den Friedensvorschlägen der EG vom Ende letzter Woche. In einem Beschluß zur Selbstbestimmung der jugoslawischen Völker wies das serbisch dominierte Rumpfpräsidium am Sonntag abend sogar indirekt weitere Vermittlungsversuche der EG zurück. Über das Schicksal Jugoslawiens würden die Parlamente der Republiken und das Bundesparlament entscheiden, hieß es in einer Erklärung des Rumpfpräsidiums. Um dem Selbstbestimmungsrecht der jugoslawischen Völker Ausdruck zu verleihen, sollten Referenden abgehalten werden. Dadurch solle gewährleistet werden, daß diejenigen, die es wünschten, „weiter in einer veränderten Gemeinschaft jugoslawischer Staaten leben können“. Im Klartext: Die in Bosnien- Herzegowina lebenden Serben sollen sich nach dem Willen der serbischen Abgeordneten der Republik bereits am 10. November in einem Referendum für „ein gemeinsames Leben in einem Bundesjugoslawien mit Serbien, Montenegro und den autonomen serbischen Provinzen Krajina und Slawonien“ aussprechen.

Auch die Arbeit der EG-Beobachter in Dubrovnik wurde von einem hohen jugoslawischen Offizier als „tendenziös“ kritisiert. Den Kroaten warfen die Vertreter Serbiens, Montenegros, Kosovos und Wojwodinas im Rumpfpräsidium vor, sie hielten sich nicht an den am Freitag in Den Haag vereinbarten Waffenstillstand. Die Armeekasernen in Kroatien würden weiterhin blockiert. Der kroatische Präsident Franjo Tudjman habe „neue Bedingungen“ gestellt, die nicht in Den Haag vereinbart worden seien.

Die Kämpfe tobten vor allem rund um die slawonischen Städte Novska, Nova Gradiska und die benachbarten Dörfer Medar, Masic und Dragalic 150 Kilometer südöstlich von Zagreb. Die Armee verschärfte unterdessen auch ihren Druck auf die seit Wochen belagerte dalmatische Hafenstadt Dubrovnik. Dort waren am Sonntag sechs Zivilisten bei schweren Kämpfen ums Leben gekommen. Wie Radio Zagreb am Montag morgen berichtete, wurden die Menschen in Zupa Dubrovacka getötet, als die jugoslawische Armee mit Marine, Luftwaffe und Artillerie angriff. Die Bundesarmee setzte am Sonntag erstmals Katjuscha-Raketen gegen die Region von Dubrovnik ein. Neun Hotels seien dem Erdboden gleichgemacht worden. Ein Sprecher der Hilfsorganisation Medecins sans Frontieres berichtete, die Bundesarmee und serbische Freischärler hätten am Sonntag erneut mit Granaten die belagerte ostslawonische Stadt Vukovar angegriffen. Im schwer beschädigten Krankenhaus lägen noch 180 Verletzte, die jedoch nicht transportfähig seien.

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