: Sensenmanns Nickerchen
■ Ein Ratgeber nimmt die Angst vor dem Schriftverkehr
Günther Zagler weiß Bescheid: „Trotz der modernen Massenkommunikationsmittel ist in vielen Fällen auch in unserer schnelllebigen Zeit ein Brief durch nichts zu ersetzen.“ Doch warum scheuen wir das Briefpapier wie der Teufel die theologische Fachbuchhandlung? Günther Zagler kann diesen Umstand erklären: Weil sich in unserer Kenntnis der Orthografie atemberaubende Bildungsschründe auftun und ein Brief „unerbittlich jeden einzelnen Fehler“ dokumentiert.
Aus diesem Grund hat Günther Zagler ein Buch geschrieben, das „die passenden Worte für jeden Anlass“ enthält: 360 Briefe, die uns die Mühe beim „Formulieren von Sätzen“ ersparen sollen, indem sie uns mit sprachlichen Kleinodien von frappierender Schönheit ausrüsten. So werden wir mit unserem nächsten Bewerbungsschreiben ganz sicher Furore machen, wenn wir mit dem formvollendeten Satz anheben: „bezugnehmend auf unser Telefongespräch von heute morgen, bei dem Sie so freundlich waren, mir genauere Informationen zu der von Ihnen ausgeschriebenen Stelle zu geben, möchte ich mich hiermit darauf bewerben.“
Potz Wetter!, höre ich den zuständigen Personalchef bewundernd rufen, denn schließlich ist es gar nicht so leicht, den Leser mit einer einfachen syntaktischen Konstruktion so sehr zum Rotieren zu bringen, dass er am Ende beim besten Willen nicht mehr weiß, ob man sich nun auf die Informationen, die Freundlichkeit oder doch das Telefongespräch bewirbt. Auch werden sich viele Väter dank Günther Zaglers Kompendium endlich wieder ihres Lebens erfreuen können. Mussten sie sich früher tagelang den Erzeugerschädel zermartern, wenn sie das Fehlen ihres Sprösslings in der Schule entschuldigen wollten, so können sie dank Zaglers Hilfe jetzt einfach schreiben: „Wegen einer fiebrigen Erkältung kann mein Sohn Roland vom 7. bis 11. März leider nicht am Unterricht teilnehmen.“ Von selber wäre Rolands Daddy wohl nie auf eine derart einmalige Formulierung gekommen.
Dass Zagler überdies in puncto Emotionsverschriftlichung wahre Perlen erschafft, versteht sich schon fast von selbst. Natürlich weiß er sehr genau, dass die Offenbarung „der geheimsten Gefühle und Träume“ im Liebesbrief höchst individuell abgeschmeckt werden muss, und deshalb reichen seine herzblutgetränkten Fertigprodukte auch von einem artigen „Karin, ich empfinde sehr viel für dich!“ bis hin zum schier zügellosen „Wie wir dann zusammen saßen, da hätte ich Sie am liebsten umarmt und ...“ Drei Punkte, die sicherlich einschlagen werden wie eine Bombe!
Von Bombeneinschlägen anderer Art handelt schließlich das Kapitel „Trauer und Anteilnahme“, das seinen Höhepunkt in dem unübertrefflichen Beileidsbrief findet, den Zagler eine gewisse Babette an ihre Freundin Walpurga schreiben lässt, nachdem Walpurgas geliebter Kater „Mockl“ seine letzte Reise angetreten hat. Vor allem aber hält dieser Abschnitt eine gewichtige Lehre für uns parat. Ich nämlich hätte durchaus nicht gedacht, dass Onkel Sensenmann bei der Arbeit auch mal ein Nickerchen zu machen pflegt. Genau das scheint er aber hier zu tun. Denn wie stehts auf Seite 338? „Am Ende kam der Tod ganz leise und hat Christiane im Schlaf mitgenommen.“ Joachim Schulz ‚/B‘Günther Zagler: „Briefe schreiben leicht gemacht“, Gondrom Verlag, 19,80 DM
Besonders in puncto Emotionsverschriftlichung erschafft Günther Zagler wahre Perlen
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