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»Senatorin traue ich mir zu«

■ Wilma Glücklich ist Frauenpolitikerin und Ökologin — und Mitglied in der falschen Partei/ Die CDU-Politikerin und Hassemer-Referentin hat bei den Grünen mehr Freunde als in der eigenen Partei

Es scheint, als ob sie nur schwer ohne die Außenseiterrolle leben könnte. Als Frau in der CDU hätte sie es schon schwer genug. Als Ökologin bei den Christdemokraten ist sie eine Exotin. Und dann auch noch diese blauen Strähnchen in den kurzen blonden Haaren.

Wilma Glücklich ist ohne Zweifel in der falschen Partei. »Mit den Grünen habe ich inhaltlich und politisch keine Schwierigkeiten«, bekennt die 39jährige, die seit einem Jahr bei Umweltsenator Volker Hassemer als Leitungsreferentin arbeitet. Daß die studierte Landschaftsplanerin trotzdem nicht in der Ökopartei gelandet ist, hängt wohl mit ihrer Herkunft aus dem westfälischen Städtchen Oelde zusammen. Im katholischen Münsterland führte an der CDU einfach kein Weg vorbei. Auch ihr Mann war bereits CDU-Mitglied. Und im Berliner CDU-Kreisverband Wilmersdorf, in den sie in den Siebzigern eintrat, gab es schon damals den liberal denkenden Volker Hassemer. Es sei doch auch wichtig, glaubt Glücklich, »daß ökologische Gedanken in den großen Volksparteien Fuß fassen«.

Eigentlich heißt sie Wilhelmine. Rufen läßt sie sich Wilma. »Wilhelmine klingt so streng. Diesen Namen dürfen Sie nicht schreiben«, mahnt sie so preußisch-gebieterisch, wie sie trotz allem nun mal ist. Die gelegentliche Schmallippigkeit ist wahrscheinlich unverzichtbar. Schon von ihrer »politischen Ziehmutter«, der münsterländischen CDU-Politikerin und ehemaligen Familienministerin Aenne Brauksiepe, lernte Glücklich, daß sie es bei den Christdemokraten schwer haben würde: »Als Frau in der CDU mußt du denken wie ein Mann, arbeiten wie ein Pferd und aussehen wie eine Dame.«

Diese Kriterien zu erfüllen fällt ihr offenbar nicht schwer. »Heutzutage werden weibliche Komponenten aber eher akzeptiert«, glaubt Glücklich. Daß die Berliner CDU in diesen Senat keine einzige Senatorin und nur zwei Staatssekretärinnen entsandte, scheint ihrer Einschätzung zu widersprechen — und das zu ihrem eigenen Ärger. »Dabei gibt es in der Berliner CDU eine ganze Reihe von Frauen, die solche Ämter durchaus übernehmen könnten: Irina Schlicht, Christine Kowallek, Gabriele Wiechatzek, Elke Hofmann.« Nicht auch Wilma Glücklich? »Ja, ich traue mir das durchaus zu.«

Doch Qualifikation und Selbstbewußtsein allein reichen nicht aus. »Uns Frauen fehlen die Seilschaften, die Netzwerke«, glaubt Glücklich. »Zumindest einen Kreisverband muß man hinter sich haben. Und für diese Mehrheitsfähigkeit muß man Freiheiten aufgeben. Ich könnte es auch nur schwer ertragen, von einer Fraktion gedeckelt zu werden.«

Sie behielt ihre Freiheiten — und bekam dafür Beifall, wenn auch von der falschen Seite. Den ersten großen Karrieresprung verdankte die Planerin Anfang 1989 nicht ihrer eigenen Partei, sondern dem grünen Baustadtrat Uwe Szelag. Er beförderte sie zur Leiterin des Wilmersdorfer Umweltamtes. »In der CDU wird mir das immer als Negativum angerechnet«, bedauert Glücklich.

Die Unverkrampftheit, mit der sie selbst ärgsten politischen Gegnern begegnet, verkraften ihre Parteifreunde nur schwer. »Das ist ein altbekannter Vorwurf«, sagt die Planerin. »Ich sei unpolitisch in dem Sinn, daß ich nicht machtpolitisch denke.« Seit sie vor 16 Jahren den Marsch durch die Institution CDU angetreten hat, ist ihr Drang nach einer Systemveränderung eher noch gewachsen. Sie habe starke Zweifel, »ob unser politisches System so weitergeführt werden kann«, bekennt sie. Die Verflechtung zwischen Politik und Verwaltung sei zu groß. Um die kaum noch kontrollierbare Macht der Behörden zu brechen, wären mehr plebiszitäre Elemente vonnöten, Volksabstimmungen und mehr Bürgerbeteiligung. »Das bisherige System hat sich totgelaufen«, glaubt Glücklich. Die deutsche Einheit und die Unfähigkeit der Verwaltung, auf die neuen Herausforderungen angemessen zu reagieren, seien dafür doch hinlängliche Beweise. Der Versuch einer Antwort sei das Stadtforum. Demnächst soll ein ähnliches Gremium für die Umweltpolitik folgen, ein Umweltrat.

Ihre Partei habe sich durchaus gewandelt, glaubt sie. »Anfangs wurde ich geduldet, weil meine Ansichten so extrem waren, daß sie kaum störten.« Heute gebe es bei den Christdemokraten eine gewachsene Offenheit für ökologisches Gedankengut — obwohl die Berliner CDU »programmatisch nicht besonders stark ist«. Zusammen mit dem jetzigen Staatssekretär Lutz Wicke — der sich vor einigen Jahren von Eberhard Diepgen noch als »Eiferer« beschimpfen lassen mußte — und dem heutigen Fraktionsgeschäftsführer Volker Liepelt entwickelte Glücklich während der Oppositionszeit der CDU ein Umweltprogramm, das vom Landesparteitag einstimmig angenommen wurde.

So hat sie inzwischen auch ihrem großen Vorsitzenden ein Plätzchen in ihrem Dienstzimmer eingeräumt. Auf der Fensterbank steht Helmut Kohl — als Gartenzwerg, mit Lothar de Maizière im Rucksack. »Ein Geschenk aus Oelde«, lächelt die Planerin. Zur Komplettierung sucht sie einen Zwerg in der Gestalt von Margaret Thatcher, nicht als Vorbild, sondern als abschreckendes Beispiel: »Thatcher ist ja eine Frau, die sich ausschließlich auf männliche Eigenschaften reduziert hat.« Hans-Martin Tillack

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