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Archiv-Artikel

Senat stoppt Baby-TV

VIVANTES Landeseigener Klinikkonzern ließ RTL in Klinik Friedrichshain in den Kreißsaal. Senat will von nichts gewusst haben. Sender darf nun bis zur Aufsichtsratssitzung am 20. März nicht mehr filmen

Der Fernsehsender RTL darf im Vivantes-Krankenhaus in Friedrichshain vorerst nicht mehr für seine für den Frühsommer geplante Serie „Babyboom – Willkommen im Leben“ filmen. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) ordnete in Absprache mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum, wie Czaja Aufsichtsratsmitglied des landeseigenen Klinikkonzerns, einen Stopp der Dreharbeiten an. Der soll bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrats am 20. März gelten.

RTL hatte mit Vivantes per Vertrag vereinbart, in einem Kreißsaal rund 30 Kameras zu installieren und damit Geburten aufzeichnen zu können. Weil das ohne Kamerateams vor sich geht, war bei Bekanntwerden der Aufnahmen vom „Big-Brother-Kreißsaal“ die Rede. Gefilmt wurde laut Vivantes seit dem 15. Februar. Die aufgenommenen Frauen hätten sich zuvor damit einverstanden erklärt.

Die rot-schwarze Landesregierung inklusive Czaja und Nußbaum wusste davon laut Vize-Senatssprecher Bernhard Schodrowski bis zum Wochenende nichts. „Uns ist das erst aus den Medien bekannt geworden“, sagte er nach der Senatssitzung am Dienstag. Vivantes sei der Auffassung gewesen, die Entscheidung über den Vertrag mit RTL falle in das sogenannte operative Geschäft, für das allein die Geschäftsführung und nicht der Aufsichtsrat zuständig ist.

Der Senat sieht das ganz anders. „Das ist ein Unding“, lautete Teilnehmerangaben zufolge eine Äußerung während der Senatssitzung. Das betrifft nicht nur die formale Zuständigkeit, sondern auch den Inhalt der Fernsehserie. „Man sieht dieses Fernsehformat sehr kritisch“, sagte Schodrowski. Gründe seien Kinderschutz und Mitarbeiterrechte.

Für Senator Czaja zieht der Hinweis nicht, die gefilmten Frauen würden doch zuvor zustimmen. „Auch wenn die Mütter und Familien ihr Einverständnis zu den Filmaufnahmen erklären, wird das Kind später damit zu rechnen haben, mit den Filmaufnahmen konfrontiert zu werden“, sagte Czaja. „Die Intimsphäre und die allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Kindes sehe ich hier in Gefahr.“

Reingrätschen und die Aufnahmen noch vor der für den 20. März angesetzten Aufsichtsratssitzung stoppen konnte der Senat durch das GmbH-Gesetz: Paragraf 37 sichert dort dem Eigentümer zu – hier das Land, vertreten durch den Senat –, die Geschäftsführung überstimmen zu können.

Vivantes wehrt sich weiter gegen den Vorwurf, die Fernsehaufnahmen seien voyeuristisch. „Wir sind nach wie vor von der Seriosität des geplantes Formats einer Entbindungsdokumentation überzeugt“, reagierte Pressesprecherin Mischa Moriceau auf die Kritik aus dem Senat. Man werde aber einer Anweisung zur Einstellung oder Aussetzung der Filmarbeiten folgen.

RTL mag das nicht akzeptieren. „Sämtliche Rechtefragen wurden weit im Vorfeld und in enger Abstimmung zwischen Produzent und Klinik geklärt“, sagte eine RTL-Sprecherin der taz. Ob der Sender nötigenfalls klagt, ließ sie offen – man habe ja bislang noch gar nichts Offizielles vom Senat gehört. „Wir gehen davon aus, dass die Dreharbeiten weitergehen können.“

STEFAN ALBERTI