Senat präsentiert Lärmschutzplan: Mit Tempo 30 zur Stille

Der Hamburger Senat will mit nächtlichen Tempolimits für mehr Ruhe sorgen. Doch das Beschließen des Plans bedeutet noch nicht dessen Umsetzung.

Straßenverkehr unter der Sternbrücke in Hamburg

Wird wohl keine „Ruheinsel“: Kreuzung unter der Sternbrücke Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Drei Jahre herrschte auf Seiten des Senats Stille darüber, was er weiter gegen den Lärm in der Stadt unternehmen will. Nun hat Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) den neuen Lärm­aktionsplan vorgestellt.

Gleich einen ganzen Strauß an Maßnahmen stellte Kerstan am Dienstag vor – von der Festlegung sogenannter „Ruhiger Gebiete“ über zusätzliche Tempolimits in der Nacht bis hin zu restriktiveren Maßnahmen gegen den Fluglärm. Der Fokus jedoch ist klar: „Es gibt in Hamburg Umweltprobleme, die wir nicht überhören können und dürfen und deren Hauptverursacher der Straßenverkehr ist“, sagte Kerstan.

Gegen den Straßenlärm sollen weitere nächtliche Tempo-30-Zonen an vielbefahrenen Straßen entstehen. 2013 waren erstmals nächtliche Tempo-30-Gebote auf einigen vielbefahrenen Straßen beschlossen worden. Im Laufe der Jahre kamen weitere Straßen hinzu, in denen es mit mindestens 60 Dezibel zu laut ist – lauter sogar, als es nachts in einem Gewerbegebiet zulässig wäre.

Nun sollen ab dem kommenden Jahr 20 Abschnitte hinzukommen, ab 2024 nochmal weitere 65. „Wir schaffen damit eine spürbare Verbesserung für mehr als 35.000 Bürgerinnen und Bürger“, sagt Kerstan.

Von „Ruhigen Bereichen“ und „Ruheinseln“

In Hamburg sind 107.000 Menschen am Tage durch den Straßenverkehr Lautstärken von über 65 Dezibel ausgesetzt. Nachts sind es sogar 130.000 Menschen, die von Lautstärken über 55 Dezibel betroffen sind. Die ausgewählten Abschnitte liegen dabei überwiegend im zentrumsnahen und verkehrsreichen Stadtteilen, etwa in Hamm, Winterhude oder auf St. Pauli.

Lob kommt dafür von Christian Popp. Der Gründer der Beratungsfirma Lärmkontor begleitet seit Jahren die Lärmmaßnahmen in Hamburg kritisch. „Die Maßnahmen sind deutlich besser und umfangreicher geworden“, sagt Popp. Dass der Senat auf Tempolimits als Instrument setzt, sei richtig.

Jens Kerstan, Umweltsenator (Grüne)

„Der Autoverkehr ist ein heikles Thema“

Dazu dürfen sich lärmgeplagte Ham­bur­ge­r:in­nen von nun an über zwei neue Begriffe freuen: Mit der Festlegung sogenannter „Ruhiger Bereiche“ sollen Erholungsgebiete lärmarm bleiben. Darunter fallen vor allem Parks und Naturschutzgebiete mit einer Fläche von mehr als 50 Hektar, die der Erholung dienen. Für „Ruheinseln“, also kleinere Flächen, soll dies ebenfalls künftig gelten. Maßnahmen in deren Umgebung dürfen dann keine Lärmzunahme nach sich ziehen.

Beim Fluglärm gibt es vom Senat keine Neuerungen – der restriktive Umgang bei Verspätungen, die zu Starts und Landungen in der Nacht führen, werde aber fortgesetzt, heißt es.

Hamburg ist ohnehin im Verzug

Doch das Beschließen des Plans bedeutet noch nicht dessen Umsetzung: Bis jetzt sind noch nicht einmal alle Temporeduzierungen umgesetzt, die vor acht Jahren beschlossen worden waren, räumte Kerstan ein.

Ob die anvisierten zusätzlichen 85 Gebiete mit nächtlichem Tempolimit also ähnlich lange brauchen, um Realität zu werden, ist offen. Laut Popp liege das auch daran, wie engagiert die Innenbehörde dabei vorgehen wird: Sie übt die praktische Anwendung des Verkehrsrechts aus, muss also Tempo-30-Zonen anordnen und umsetzen.

Ohnehin ist Hamburg beim Lärm schon in Verzug: 2018 hätte der neue Lärmaktionsplan kommen sollen. Dies sieht die sogenannte Umgebungslärmrichtlinie der EU vor. „Der Autoverkehr ist ein heikles Thema“, sagte Kerstan dazu am Dienstag. In alter Senatskonstellation – also mit einer deutlich stärkeren SPD als Koalitionspartner der Grünen – hätten sich die Parteien nicht auf Maßnahmen einigen können.

Das ist seit der letzten Bürgerschaftswahl im Februar 2020 anders: Das Verkehrsressort ist zu Kerstans grünem Parteikollegen Anjes Tjarks gewandert – und hat weiter reichende Maßnahmen offenbar einfacher gemacht.

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