: Senat ist in der Klemme
■ Politiker enttäuscht über Streik/ Arbeitgeberchefin Heide Simonis plädiert für den Rausschmiß aus TdL
Berlin. Eine »Enttäuschung, die fast unbegrenzt ist«, verspürte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky, als er gestern mittag mit seinem Kollegen von der SPD, Ditmar Staffelt, vor die Presse trat. Was den CDU-Politiker so mitnahm, waren die Streikaktionen im öffentlichen Dienstes Ost-Berlins. Diese stießen bei ihm auf »völlige Verständnislosigkeit«, da die Tariferhöhung auf 80 Prozent des Westniveaus doch ohne das Engagement Berlins nicht zustande gekommen wäre. Landowsky bat die Streikenden »im Sinne des Friedens in der Stadt, von ihrer Maßlosigkeit wegzukommen«. Auch Staffelt forderte, »die Kirche im Dorf« zu lassen. Der Senat sei mit seiner Zusage weit über die ursprüngliche gewerkschaftliche Forderung hinausgegangen.
Staffelt und Landowsky wiesen auf die bundespolitischen Konsequenzen des Berliner Alleingangs hin. Nach Staffelts Ansicht gibt es »vier existentielle Fragen, wo wir mit dem Rücken an der Wand stehen«. Er nannte neben der Tarifpolitik die Verhandlungen über die Verteilung der Bundesinstitutionen, die Hauptstadtfrage und die Haushaltslage. Mit dem Beschluß, die Gehälter vorzeitig auf 80 Prozent anzuheben, habe Berlin das Risiko in Kauf genommen, aus der TdL ausgeschlossen zu werden.
Zu dieser Maßnahme könnte es bereits bald kommen, denn wegen des Berliner Alleingangs ist die Runde der öffentlichen Arbeitgeber zum 25. Juni zu einer Sondersitzung zusammengerufen worden. Bei den übrigen Ländern hat der Schritt des Senats massive Verärgerung hervorgerufen. Die Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) Heide Simonis erklärte gegenüber der taz, sie sehe im Berliner Vorgehen »einen klaren Bruch der Satzung der TdL« und zudem »einen Verstoß gegen die Solidarität mit den fünf neuen Ländern. Diese hatten sich in den Verhandlungsrunden gegen eine tarifrechtliche Sonderregelung für Berlin ausgesprochen. Gegenüber diesen Ländern würde Berlin nach Ansicht von Frau Simonis schon wieder eine Sonderrolle einnehmen wollen. Solange Berlin so offensichtlich gegen die Satzung verstoße und noch nicht einmal bereit sei, Einzelfälle nachzuweisen, wo eine Tariferhöhung notwendig sei, sei sie als Verhandlungsführerin der Arbeitgeber bei den Tarifgesprächen »persönlich dafür, daß ich nicht mehr ein Land vertreten muß, das von mir nicht mehr vertreten werden möchte«. Das bedeutet, daß Berlin die Konsequenzen ziehen muß, denn die Arbeitgeberchefin machte deutlich, daß sie auf jeden Fall weiterhin im Amt bleiben werde.
Frau Simonis bot dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen an, ihm Tips für Tarifverhandlungen zu geben, denn das müsse er jetzt selber machen. Ein Ausschluß aus der Tarifgemeinschaft hätte die Konsequenz, daß Tarifverträge für den öffentlichen Dienst nur noch auf Landesebene abgeschlossen werden. Dadurch würde sich die Position der Gewerkschaften in den Tarifauseinandersetzungen erheblich verstärken. Dieter Rulff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen