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Selbstuntersuchung unverzichtbar

■ Sachbuchautorin Lilo Berg über die Möglichkeiten und Risiken der Früherkennung bei Brustkrebs

Medizinische Studien gehen davon aus, daß 1996 in Deutschland rund 42.300 Frauen an Brustkrebs erkranken werden. Die Zahl der Frauen, die an Brustkrebs sterben werden, wird auf etwa 13.000 geschätzt. Über die Chancen und Risiken der Früherkennung sprachen wir mit Lilo Berg. Sie ist Autorin des Buches: „Brustkrebs – Wissen gegen Angst“ und Ressortleiterin des Ressorts Wissenschaft und Technik bei „Die Woche“ in Hamburg.

taz: Frau Berg, 80 Prozent aller Tumore werden von den Frauen selbst ertastet. Ist die Geschwulst dann noch klein, stehen die Chancen für eine Heilung gut. Noch besser wäre sie allerdings, wenn der Tumor noch gar nicht tastbar ist. Das ermöglicht die Mammographie, also die Röntgendurchleuchtung der Brust. Allerdings hört man immer wieder, daß Ärzte diese Technik nicht gut genug beherrschen oder daß die Röntgengeräte veraltet sind. Als Methode zur Früherkennung scheint die Mammographie also noch nicht geeignet zu sein. Was können Frauen tun, um die Entdeckung eines Brustkrebses trotzdem nicht dem Zufall zu überlassen?

Lilo Berg: Ich würde auf jeden Fall zur regelmäßigen Selbstuntersuchung raten, und zwar mindestens einmal im Monat. Das muß möglichst systematisch gemacht werden. Sehr gut ist es, das Brustabtasten das erste Mal mit dem Frauenarzt oder der Frauenärztin zu machen. Der Frauenarzt oder die Frauenärztin kann dabei auch erklären, welche Veränderungen an der Brust normal sind und welche nicht. Auf diese Weise kann die Frau ein Gespür dafür entwickeln, wie die eigene Brust sich anfühlt und wie sie sich verändert.

Sollten Frauen sich außerdem regelmäßig mammographieren lassen?

Es gibt viele Frauenärzte, die den Frauen empfehlen, sich ab dem 40sten Lebensjahr mammographieren zu lassen. Manche sagen sogar, schon ab 30 oder 35 sollte man regelmäßig zur Mammographie gehen. Wissenschaftlich ist der Nutzen von mammographischen Früherkennungs-Untersuchungen aber nur für den Zeitraum zwischen dem 50 und dem 69sten Lebensjahr nachgewiesen. Forscher haben herausgefunden, daß die Mammographie bei Frauen dieses Alters tatsächlich eine Senkung der Sterblichkeit zur Folge hat. Das hat vor allen Dingen damit zu tun, daß das Brustgewebe der Frau vor den Wechseljahren sehr dicht ist. Die Röntgenstrahlen der Mammographie können dieses Gewebe nicht so gut durchdringen, so daß Veränderungen nicht so deutlich zu erkennen sind.

Die Stimmen von Skeptikern, die behaupten, die Mammographie sei wenig sinnvoll, werden immer lauter. Manche Kritiker schwören stattdessen auf die Sonographie (Ultraschall). Was ist Ihre Meinung?

Das muß man differenziert sehen. In jüngeren Jahren, also vor der Menopause, gibt es tatsächlich viele Argumente für eine Ultraschall-Untersuchung – weil das Brustgewebe ja noch sehr dicht ist. In späteren Jahren spricht viel für die Mammographie.

Also mit anderen Worten: Ab 50 zur Mammographie, vorher zur Sonographie.

Ja, aber es ist wichtig, daß man eine Vergleichsmammographie hat. Das ist auch der Grund, warum die ÄrztInnen zurecht empfehlen, um den 40sten Geburtstag herum eine Mammographie machen zu lassen. Die kann der Arzt oder die Ärtzin dann später zum Vergleich heranziehen.

Aber was nützt diese Mammographie, wenn Röntgengeräte veraltet oder technisch defekt sind. Die Röntgengeräte sollten zwar nach einem Beschluß der Spitzenverbände der Krankenversicherer alle bis Ende 94 auf dem neusten Stand sein. Aber wie merke ich denn, ob das Gerät meiner Ärztin in Ordnung ist?

Ein Röntgenarzt, der sich auf Mammographien spezialisiert hat, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit Geräte, die auf dem neusten Stand sind. Wichtig ist, daß man einen erfahrenen Arzt findet, der sehr viele Mammographien macht. Da muß man sich umhören: Vielleicht weiß der eigene Frauenarzt einen solchen Kollegen, möglicherweise können Freundinnen einen Tip geben. Gute Hinweise geben oft auch Frauengesundheitszentren oder die Ortsgruppe des bundesweiten Vereins Frauenselbsthilfe nach Krebs – die Zentrale sitzt übrigens in Mannheim.

Über die Ursachen von Brustkrebs gibt es ja immer wieder neue Erkenntnisse. Zwischenzeitlich kennt man beispielsweise die Gene, die Brustkrebs zumindest verursachen können. Es sind allerdings nur fünf Prozent die diese erbliche Veranlagung überhaupt aufweisen. Der Großteil der Frauen erkrankt aus anderen Gründen. Was gibt es denn Ihrer Einschätzung nach noch für Risikofaktoren?

Viele Ärzte sagen, es seien noch nicht einmal fünf Prozent der Frauen, die diese erblichen Faktoren aufweisen. Außer diesen beiden Brustkrebsgenen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Frau Brustkrebs verursachen, gibt es hormonelle Einflüsse, Umwelteinflüsse, und es gibt Einflüsse der Lebensweise.

Und wie lebt Frau, damit sie keinen Brustkrebs kriegt?

Einen Rat zu geben, ist nicht einfach. Mitunter hat man den Eindruck, daß jeden Monat ein neuer Risikofaktor entdeckt wird. Das geht von zuviel Fett in der Nahrung bis hin zu der etwas abstrusen Idee, daß das Tragen eines BH über viele Jahre, Brustkrebs auslöst.

Stimmt das?

Es gibt zumindest eine Studie in den USA, die das besagt. Für diese Studie ist allerdings nur eine recht kleine Gruppe von Frauen untersucht worden. Insofern ist die Studie auch anzuzweifeln.

Und gibt es ernstzunehmende Risikofaktoren?

Also, was seit langem schon diskutiert wird, ist die Ernährung. Vor allen Dingen das Fett in der Nahrung. Da gibt es Hinweise. Japan hat beispielsweise eine der niedrigsten Brustkrebsraten auf der ganzen Welt. Bei Japanerinnen, die nach Hawai übergesiedelt sind, hat man festgestellt, daß in der zweiten und dritten Generation sehr viel häufiger Brustkrebs auftrat. Und das wird auf das geänderte Essverhalten zurückgeführt. Neuen Studien zufolge scheint es so zu sein, daß man den Fettgehalt im Essen allerdings drastisch kürzen muß. In Deutschland liegt der Durchschnitt derzeit bei 42 Prozent. Es reicht nicht, den Fettgehalt auf 30 Prozent zu senken, sondern es scheint so zu sein, daß man den Fettanteil unter 20 Prozent drücken muß. So ist es beispielsweise in Japan oder den südamerikanischen Ländern, in denen relativ wenig Brustkrebs vorkommt. Relativ unumstritten sind auch hormonelle Faktoren.

Damit wären wir zum Beispiel bei der Pille. Welche Auswirkungen hat ihrer Einschätzung nach die Pille auf die Risiken, an Brustkrebs zu erkranken?

Die meisten Studien zeigen kein allgemein erhöhtes Risiko, einige zeigen einen minimalen Anstieg von Brustkrebs. Die ersten Pillen, die vor über 30 Jahren in Deutschland auf den Markt kamen, hatten noch sehr hohe Hormongehalte, da war das Risiko sicherlich höher als heute. Aber auch die Pillen von heute sind nicht 100prozentig sicher, was Brustkrebs angeht. Auf der anderen Seite soll die Pille vor Eierstockkrebs und Tumoren der Gebärmutterschleimhaut schützen.

Und wie ist es mit dem Zusammenhang Schwangerschaft, Stillen und Brustkrebs. In ihrem Buch zitieren sie den mailändischen Professor Umberto Veronesi, einen der international bekanntesten Brustkrebsforscher. Er hat gesagt: „Wenn Frauen mit 16 ihr erstes Kind bekämen und danach noch weitere, würde es fast keinen Brustkrebs mehr geben.“

Ja, es ist tatsächlich so, daß zum Beispiel das Stillen einen Schutz vor Brustkrebs bieten kann. Es gibt sehr viele Studien, die belegen, daß das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, um so geringer ist, je länger eine Frau in ihrem Leben gestillt hat. Nichtsdestotrotz ist das ein archaisches Bild von Frauen, das heute einfach nicht mehr in die Zeit paßt.

Fragen: Kerstin Schneide r

Lilo Berg: Brustkrebs – Wissen gegen Angst. Verlag Antje Kunstmann, 1996.- 39,80 Mark.

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