: „Selbstreinigung nötig“
Der Westberliner Staatssekretär Schomburg hat gestern bei einem Treffen mit Ostberliner Staatsanwälten und Richtern im Kriminalgericht Moabit erklärt, für den Dienst in einem demokratischen Rechtswesen kämen viele DDR-Juristen derzeit kaum in Frage. Schomburg sprach damit ein Problem an, das in der öffentlichen Diskussion noch weitgehend unbeachtet ist: Wohin mit Richtern und Staatsanwälten, die in den letzten vierzig Jahren nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, das SED-Regime zu stabilisieren? „Die DDR-Justiz steht jetzt vor dem Problem, wie sie mit den Folgen des Unrechtsstaates fertig werden kann“, sagte Schomburg. „Hier ist wohl ein langer Prozeß der Selbstreinigung nötig.“ Theoretisch möglich wäre zum Beispiel, daß nach einer möglichen Wiedervereinigung „belastete“ DDR-Richter und -Staatsanwälte durch Kollegen aus der Bundesrepublik ersetzt werden. Denkbar wäre auch die Variante, die in der Bundesrepublik mit vielen ehemaligen NS-Juristen praktiziert wurde: Man läßt sie einfach im Amt. Nach der Rede Schomburgs herrschte unter den Teilnehmern erst einmal betretenes Schweigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen