: Selbstmord des Brüter-Kontrolleurs
■ Ein Manager der Monju-Betreibergesellschaft stürzt sich wegen zensierter Berichte über den Reaktor-Unfall aus seinem Hotelfenster, vier Kollegen wurden im Dezember strafversetzt
Tokio (AP/AFP) – Shigeo Nishimura sprang am frühen Samstag morgen in den Tod. Der 49jährige leitete die innerbetriebliche Untersuchung des Störfalls im Schnellen Brüter von Monju westlich von Tokio. In einem Abschiedsbrief an seinen Chef, den Hauptgeschäftsführer der Nuclear Reactor and Power Development Corporation, vertrat Nishimura die Ansicht, die Herausgabe einer geschönten Darstellung des Zwischenfalls vom 8. Dezember sei möglich gewesen, weil er versagt habe. Er fühle sich verantwortlich dafür, „daß das Vertrauen nicht wiederhergestellt werden konnte“, und bedauere dies tief. Nishimura hinterließ auch Abschiedsschreiben an seine Frau und einen Freund.
Nur Stunden vor seinem Tod hatte Nishimura an einer Pressekonferenz teilgenommen, bei der Zensurversuche der Betreiber des Atomreaktors offengelegt worden waren. Dabei sagte der neue Chef der Behörde für Wissenschaft und Technik, Hideo Nakagawa, Vertreter der Betreiberfirma hätten ein Video stark gekürzt, welches das volle Ausmaß des Unfalls zeigte. Die Regierung in Tokio habe davon Kenntnis gehabt.
Zunächst hatte es geheißen, die Stellen vor Ort hätten alleinverantwortlich gehandelt. Das Unternehmen gab allerdings zu, daß das elfminütige Band vor Öffentlichkeit und Regierung geheimgehalten werden sollte. Die weggeschnittenen Filmteile zeigen große Löcher in Röhren und Brandstellen im Schnellen Brüter. Auf dem Boden und an den Kühlschlangen ist festgebackenes weißes Ätznatron zu sehen. Bei dem Unfall liefen rund drei Tonnen flüssiges Natrium aus, das an der feuchten Luft zu brennen begann und ätzende Dämpfe entwickelte. Die offenbar überforderten Techniker hätten 90 Minuten gezögert, bevor sie den Reaktor abschalteten. Dadurch sei der Schaden noch größer geworden.
Nishimura sei von der Pressekonferenz am Freitag abend um 0.50 Uhr in sein Hotel zurückgekommen und habe dem Portier gesagt, er wünsche um 5.30 Uhr geweckt zu werden. Nachdem die Weckversuche ohne Antwort geblieben seien, habe der Portier im Zimmer des Gastes im siebten Stock nachgesehen und die Abschiedsbriefe gefunden. Kurz danach fand man den schwer verletzten Manager. Nach seiner Einlieferung in ein Krankenhaus sei er um 6.50 Uhr seinen Verletzungen erlegen.
Die Ursache des Störfalls in dem 280-Megawatt-Reaktor war nach Darstellung der Betreiber eine defekte Rohrleitung. Ende Dezember wurden als Konsequenz vier führende Mitarbeiter strafversetzt, die Anlage wird nach Meinung von Experten etwa zwei Jahre geschlossen bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen