piwik no script img

Selbsthilfe — ökomäßig

Leipziger Bio-Laden in besetztem Gründerhaus/ Ernährungstherapeuten drückten aufs Tempo  ■ Aus Leipzig Carsten Heller

Leipzig hat seit vergangenem Wochenende seinen ersten Bio-Laden. Die Eröffnung des Geschäftes im Leipziger Osten erfolgte unter recht abenteuerlichen Umständen. Seit Monaten bemüht sich der Arzt Christoph Richter um einen Mietvertrag für das Haus Breite Straße 8, nach seiner Aussage „eines der schönsten Gründerzeithäuser der Stadt überhaupt“.

Die Verhandlungen schleppten sich dahin, obwohl viele städtische Instanzen das Vorhaben ausdrücklich unterstützen. Die Ökologen um Dr. Richter beabsichtigen, neben einem Verkaufsraum für Produkte aus garantiert ökologischem Anbau eine ernährungstherapeutische Sprechstunde einzurichten sowie Vorträge, Lehrgänge und Kochkurse für Interessierte zu organisieren. Als das Gerücht umging, ein Leipziger Teppichhändler namens Wernicke wolle besagtes Haus kaufen, mit Hilfe einer Baufirma sanieren und dann als Teppichladen, Videothek oder sonstwas nutzen, beschlossen die Öko-Bauern auf eigene Faust zu handeln. Sie besetzten kurzerhand das Haus, fuhren Freitag nacht nach Westberlin, um ihr vorläufiges Angebot zusammenzukaufen und eröffneten dann am Samstag den Laden mit ihren mitgebrachten Sachen. „Wir gingen damit einen Schritt, den wir eigentlich vermeiden wollten. Aber uns blieb keine andere Wahl. Wir mußten verhindern, daß hinter unserem Rücken Tatsachen geschaffen werden“, erklärt Dr. Richter die Aktion. Die Gebäudewirtschaft hat die Besetzung inzwischen registriert. In dieser Woche noch sollen Gespräche zwischen allen Beteiligten stattfinden. Auch wenn das Projekt — es ist Teil eines umfassenden Gemeinschaftsprojekts Ernährungsökologie/Bauökologie, das den Aufbau von zwei landwirtschaftlichen Betrieben, einer ökologischen Modellsiedlung in der Stötteritzer Oberdorfstraße und die Sanierung eines Altbaugebietes in Leipzig- Reudnitz vorsieht — dann vermutlich juristisch sanktioniert wird, so fehlen doch 4,5 Millionen Mark. Soviel würde die Sanierung des Hauses kosten.

Derweil tropft es weiter durch das Dach bis hinunter ins Erdgeschoß. Aber immerhin, die Leipziter können nun jeden Tag Naturkost kaufen...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen