: Selbstfindungspuzzle
■ Der Choreograph Jan Pusch inszeniert das Das Schweigen der Rollen für das Theater: eine Heldengeschichte des Schauspielers als Fährtenleser
Sprache sei wie Musik und Musik wiederum wie Tanz, meint der Hamburger Choreograph und Komponist Jan Pusch, der jetzt mit einem Solostück für den Schauspieler Ulrich Cyran seine erste Arbeit für das Theater inszeniert. Ein eingespieltes Team bilden die beiden allemal: Zwei, die lieber abseits ausgetretener Theaterpfade vagabundieren, sich nicht auf herkömmliche Rollen festlegen lassen, wie sie erst im Dezember wieder in Puschs Tanztheaterprodukti-on Until the Cows Come Home bewiesen haben.
Agil und wendig stand Cyran hier den Tänzern an Bewegungssinn in nichts nach und unterstrich mit Körperwitz findige Wort- und Gedankenspiele. Der Choreograph, ehemaliger Tänzer im Neumeier-Ballett, verläßt sich schon lange nicht mehr allein auf den Tanz, erst recht nicht auf den klassischen. Zunehmend experimentiert er mit Verquickungen unterschiedlicher Genre, bewährt sich neuerdings gar im Schreiben von Texten. Cyrans Part konzentrierte Pusch in seinen Stücken in der direkten Ansprache des Publikums. Cool hatte der Schauspieler bereits in Puschs Erfolgsstück Scope versucht, dem Schein und Sein fotografischer Bilderwelten auf die Spur zu kommen, und dabei in virtuoser Selbstdarstellung sich selbst und seine Zuhörer ein wenig an der Nase herumgeführt. Einer, so scheint es, der sich zuweilen noch von sich selbst überraschen läßt. Und in Das Schweigen der Rollen, untertitelt mit Solo für tausend Schauspieler, wird er wieder alles dran setzen, um mit Ironie und Hintersinn quasi sich selbst auf die Schliche zu kommen.
Als Heldengeschichte eines Schauspielers bezeichnen Regisseur und Protagonist das Stück, das am 18. Februar auf Kampnagel seine Uraufführung haben wird. Schicksal eines Experten in Sachen Rollen: Ein Schauspieler, der die Rolle des Schauspielers spielt und darin verzweifelt versucht, „aus der Rolle zu fallen“.
Doch was bleibt, wenn die Rollen schweigen? Die Konstellation verspricht ein absurd-vertraktes und zugleich amüsantes Selbstfindungs-Puzzle. „Schicht liegt auf Schicht. Kommt denn nicht einmal ein Kern ans Licht?“Ein Zitat aus Peer Gynt gibt das Leitmotiv vor. In Ibsens quälender Erkenntnissuche glauben Cyran und Pusch durchaus ironische Zwischentöne auszumachen. Doch in erster Linie stammen die Texte aus eigener Feder, an Hand derer Cyran, einemFährtenleser geich, seine eigene Lebensgeschichte durchstreifen und im Labyrinth liebgewonnener Alltagsrollen nach Spuren ureigener Authentizität forschen wird. Das Los eines Schauspielers – auf der Bühne wie im „richtigen“Leben.
Marga Wolff
Premiere: Mittwoch, 18. Februar, 20 Uhr, Kampnagel k6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen