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Archiv-Artikel

Selbstaufsicht reicht nicht

Feuerbergstraße: Heimaufsicht wurde nach Misshandlungs-Vorwürfen nicht tätig. Jurist wirft Behörde rechtswidriges Verhalten vor. Die sagt geplante Heim-Bilanz ab

Der Jugendhilferechtsexperte Christian Bernzen wirft der Sozialbehörde „objektiv rechtswidriges“ Verhalten vor. Die Behörde habe nach Bekanntwerden schwerer Vorwürfe gegen das geschlossene Heim in der Feuerbergstraße nicht, wie im Paragraph 46 des Kinder- und Jugendhilferechts vorgesehen, die Heimaufsicht mit einer Prüfung beauftragt.

Wie berichtet, waren am Nikolaustag 2004 zwei Jugendliche aus dem Heim ausgebrochen und hatten schwere Vorwürfe erhoben. Der Träger Landesbetrieb Erziehungs und Berufsbildung (LEB) bemühte sich am 10. Dezember, diese auf einer Pressekonferenz zu entkräften. Die taz druckte Auszüge aus den Interviews, in denen die Jungen unter anderem erklärten, sie wurden nur mit einer Matratze auf dem Boden in „Isolationshaft“ gehalten, an den Füßen gefesselt oder auch mit dem „Kopf auf den Boden geschlagen“.

Der Jugendhilferechtsexperte Christian Bernzen und der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer nahmen diese Aussagen zum Anlass, den Leiter des Amtes für Jugend, Uwe Riez, noch vor Weihnachten zur Einschaltung der Heimaufsicht aufzufordern. Denn nach ihrer Ausfassung bestünden Anhaltspunkte für „Kindeswohlgefährung“. Eine „Vor-Ort-Prüfung der Heimaufsicht“ aufgrund der Presseberichte habe es nicht gegeben, antwortete Riez nun, weil die Feuerbergstraße einer „sehr viel engeren“ Rechts- und Fachaufsicht der Behörde unterliege. In diesem Rahmen gehe die Behörde jedem Vorkommnis nach. Die Presse-Vorwürfe hätten sich „nicht bestätigt“.

„Das ist so, als wenn die Polizei es den Autofahrern überlässt, ihren Alkoholpegel selbst zu kontrollieren“, empört sich nun Bernzen. „Eine Aufsicht findet in Wahrheit nicht statt.“ Denn die Behörde nehme hier nur eine „Zielsetzungs- und Führungsverantwortung“ wahr, aber keine „Aufsicht nach Paragraph 46“. Die Heimaufsicht ist eine eigene Stelle, an die sich auch Eltern oder Kinder wenden können, und die unangemeldet Besuche machen darf. Bernzen: „Sie könnte eine Einrichtung schließen oder ein Tätigkeitsverbot für einen Mitarbeiter aussprechen, der Jugendliche an den Füßen fesselt.“

„Die Behörde kann es sich nicht leisten, den Vorwürfen nicht nachzugehen“, findet auch die GAL-Abgeordnete Christiane Blömeke. Nach ihren Informationen sind die Vorwürfe „berechtigt“ und vor allem der private Wachdienst ein Problem. Blömeke lädt für den 25. Januar zu einer „Fachdiskussion“ ein, um nach zwei Jahren eine Bilanz des geschlossenen Heimes zu ziehen.

Damit füllt sie eine Lücke, die die Behörde hinterlässt. Noch vor Nikolaus war nach taz-Infomationen für Januar eine Zwei-Jahres-Bilanz vorbereitet worden. Jetzt heißt es, das sei nie geplant gewesen. Kaija Kutter