Selbst pflücken: Rot und lecker
Auf dem Feld von Bio-Bauer Piper gibts Erdbeeren, die kann man ungewaschen essen. Weil das einzige, was an die rankommt "Luft und Liebe" ist.
Der Himmel ist - boah. Ein ganzes Ende vom Feld entfernt, riecht man es. Die Finger von Tim sind rot und sein Mund ist rot und die Hose auch. Weil er manchmal in einer Erdbeere kniet. Weil das Wetter so heiß ist, und es seit langem nicht mehr geregnet hat, ist am Sonntag Schluss. Heute morgen noch mal um Acht, auf besonderen Wunsch der Kundschaft, morgen um Neun und gut ist.
Das war es dann mit den Erdbeeren für dieses Jahr. "Wir sind drei Wochen später dran, da war zu viel Feuchtigkeit und Kälte im Frühjahr, und nun reifen die wie doll. Da kommen wir mit dem verkaufen gar nicht mehr nach", sagt Joachim Piper, 61, Landwirt in Schönberg, der in Dwerkaten, einem Ortssteil von Lütjensee, Bio-Erdbeerfelder hat. Piper hat neben Erdbeeren seit 15 Jahren auch Getreide, Schweine, Ferkel, Rinder, Tannen - alles Bio. Über den Daumen hat er 1,5 Hektar Erdbeeren, davon ein halbes Hektar zum Selberpflücken.
Davon erntet Piper fünf Tonnen, konventionell wären es zehn, und die doppelte Arbeit ist es auch. Bio heißt: kein Kunstdünger, keine Spritzmittel, statt dessen "Luft und Liebe", wie Piper sagt. Weil das so ist, kann man die Beeren essen. Einfach so, ohne waschen. Und deshalb stehen zwischen den Erdbeerpflanzen Disteln, Kamille und Knöterich. "Und deshalb hacken wir vom Frühjahr ab bis kurz vor die Ernte, aber wenn wir das Stroh ausgelegt haben, können wir nicht mehr hacken", sagt Piper.
Und das Unkraut, wie es so seine Art ist, wächst weiter. Aber so eine Kamille, gelb und weiß, klein und bescheiden, macht sich gut in all dem Grün und Rot.
Die schon gepflückten Erdbeeren, die man an einem kleinen Stand am Rand des Felds kaufen kann, kosten 6,20 Euro das Kilogramm, selber pflücken kostet 4,20 Euro pro Kilogramm, je mehr desto billiger. Ab zehn Kilo kostet das Kilogramm 3,10 Euro.
Für Piper pflücken drei Polinnen, schon seit zwölf, dreizehn Jahren: Katja, Mirka und Bogusa und zwei, drei Mitglieder der Familie. Aber wenn er merkt, dass er seine Erdbeeren nicht verkauft bekommt, lässt er, wie in diesem Jahr, ein Feld ungepflückt. Den Preiskampf, den die konventionellen Kollegen in der Gegend untereinander austragen, macht er nicht mit.
Heute gab es in Schleswig-Holstein Zeugnisse, und das von Tim, zehn Jahre alt, aus Grönwohld, war, vielleicht bis auf Deutsch, "okay", wie er sagt, und kein Anlass, dass seine Mutter, Mechthild Kämmer, nicht mit ihm zum Erdbeerpflücken gegangen wäre. Auch tiefer im Feld stehen Pflücker, den Hintern in der Luft die einen, den Rücken gebeugt die anderen, oder tief in der Hocke die dritten.
Die Piperschen Erdbeeren sind nicht geflogen, mit dem Schiff gefahren oder mit dem Laster durch Europa gerollt. Sie wurden nicht kühl gelagert und dann in Plastikschalen verpackt, mit dem Hintern auf ein weiches Plastikkissen gesetzt. "Die Zahl der Kunden für Bio-Erdbeeren nimmt zu", sagt Hanno Piper, 26, der Junior, "auch die Selberpflücker werden mehr". Piper hat Kunden, "die können nur Bio essen, sonst bekommen sie Allergien". Darüber, dass seine Erdbeeren besser schmecken als die anderen, redet der Senior nicht. Das muss man schon selber merken.
Die Erdbeeren leuchten tiefrot zwischen dunkelgrünen Blättern hervor. Kleine süße Früchte der Sorten Korona und Florenz.
"Hochgeschmacklich und nicht auf Haltbarkeit gezüchtet", erklärt Piper senior. Die Haltbarkeit geht auf Kosten des Geschmacks und das will Piper nicht. Mechthild Kämmer, die extra nach einem Bio-Erdbeerfeld gesucht hat, ist aufgefallen, "dass die Größe hier proportional ist, die sehen nicht aus wie Tomaten".
Da sind Grashüpfer und Erdbeeren, die fast schwarz sind, und im Mund auseinanderfallen und es ist, als ob man den Kopf reingesteckt hätte. Tim, der auch die kleinen Früchte erntet, leckt sich die Finger ab. Manche Früchte sehen so aus, wie die Erdbeeren, von denen man so ab Mitte November träumt.
Man knipst sie mit dem Daumennagel am Ende des Stengels ab und lernt was über Triebaufschub, denn wer mehr als jede Zwanzigste isst, braucht entsprechend länger, um sein Körbchen voll zu bekommen.
Die kleinste geerntete Menge in dieser Saison war ein Kilogramm, wobei Piper als Mindestmenge eigentlich zwei Kilo festgelegt hat. Die Höchstmenge waren 163 Kilogramm, das sechs Leute einer ziemlich großen Familie in vier Stunden ernteten. "Mehr als 700 Gramm kann man nicht essen", sagt Piper senior.
Da geht eine Mutter mit Strohhut und zwei Kindern. Das eine ist ein im Kinderwagen vor sich hin grinsender Säugling. Das andere sieht aus wie in Erdbeeren gebadet. Zusätzlich jongliert die Mutter mit riesigen Behältnissen voller Erdbeeren. "Das wird eine Erdbeermarmelade", schwärmt sie.
Wir haben uns dann auch noch ein bisschen gebückt, und drei Kilogramm in den Korb gelegt. Vor allem die etwas krumm gewachsen mit seltsamen Formen haben wir uns geholt. Denn gerade die schmecken - boah.
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