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Seeleute, von unten gesehen

■ Fotos vom Bordalltag / Ausstellung im Bremerhavener Schiffahrtsmuseum

Nußschale oder schwimmende Kleinstadt, bauchiger Mutterersatz oder schlanke Rennziege: Das Schiff als solches ist ein Projektionsobjekt erster Güte, wird geliebt und besungen und gemalt und — fotografiert. Unendlich viel fotografiert. Das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven stapelt im Archiv an die 80.000 Schiff-Aufnahmen, Kümos (Küsten-Motorschiffe), Fischdampfer, Luxusliner, Supertanker. Alle von der repräsentativen Schokoladenseite.

Im DSM sitzt ein Archivar, dessen Interesse weitergeht: Klaus-Peter Kiedel möchte etwas vom Alltag an Bord erfahren. „Das stinknormale Leben“ ist es, was ihn interessiert. Und da war in der umfangreichen Fotosammlung Fehlanzeige. Die da an Bord arbeiten, unter Deck, die mit Dreck und Öl befaßt sind, die die Kartoffeln schälen und die Maschine warten, kommen nur ausnahmsweise vor. Etwa wenn auf Passagierdampfern mal ein Schnappschuß gelang. Allerdings hatten hier Heizer Decksverbot. Ansonsten: Kapitäne, Kapitäne, Kapitäne.

Jetzt zeigt das Schiffahrtsmuseum in einer Sonderausstellung eine Reihe großformatiger Fotos (30x40), die die Früchte erster Bemühungen Kiedels sind, dem Archivmangel abzuhelfen. Das Schiffsleben von innen und von unten, die ganz normalen Arbeiten in der Kombüse, an der Außenhaut, im Maschinenraum. Entrosten und Pause auf einem Kümo, „Labsalben“ der Drähte eines Bordkrans, Mittagstisch mit Maggi, Spleißen einer Schleppleine an Bord eines Bohrinsel- Versorgers. Zum Teil hat Kiedel die Aufnahmen, während er auf dem Kümo „Cum Deo“ oder einem Containerschiff mitfuhr, selbst gemacht. Andererseits hat er durch Zeitungsannoncen fotojournalistische Mitarbeiter gewonnen, die ihn regelmäßig beliefern. Nach den Veröffentlichungen trudelten zudem historische Aufnahmen von Kreuzfahrern ein. Hier gerieten auch mal Frauen in den Sucher: Bordkindergärtnerinnen, Friseusen, Stewardessen und Verkäuferinnen.

Vom Leben auf modernen Massengutfrachtern und Supertankern erzählen die Bilder des Hamburger Kapitäns Hans J. Schaefer. Hier begegnet man fast ausschließlich den „Fipsen“, wie die Philipinos abfällig genannt werden. Natürlich sind auch hier am ehesten feierliche Anlässe der Grund, abzudrücken. Die Weihnachtsfeier vor der Brasilianischen Küste oder die „Äquatortaufe“ mit verkleidetem Neptun und Bremer Bier.

Die kleine Ausstellung hat keinerlei Ambition, ein vollständiges Bild des Bordalltags zu geben. Sie möchte vielmehr ein Aufruf sein, in alten Fotobeständen zu wühlen, oder Seeleute als Hobbyfotografen gewinnen. Und im Rahmen des Museums daran erinnern, daß zu all der herrlichen maritimen Kultur eine „unterbelichtete“ Seite gehört, die mit Dreck, Schweiß, Kälte und Gefahr zu tun hat. Bus

Seeleute — Fotografien vom Alltag an Bord. Bis 29.8.

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