Science-Fiction-Film „Lola“ auf DVD: Der hohe Preis des Zeitreisens
Im SciFi-Film „Lola“ entdecken zwei britische Schwestern, wie Fernsehen die Zukunft verändern kann. Nicht alle Folgen sind dabei erwünscht.
Zwei Schwestern in Sussex haben eine tolle Erfindung gemacht, einen Fernseher, der nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich entfernte Signale empfängt. Die Schwestern, Martha (Stefani Martini) und Thomasina (Emma Appleton), haben das Gerät, das massiv im Wohnzimmer steht, Lola genannt. Sie leben in einem Haus auf dem Land, das den verstorbenen Eltern gehörte, sie sind jung, sie genießen die Freiheit, es ist das Jahr 1941, und was sie bei den ersten Übertragungen zu sehen und vor allem zu hören bekommen, finden sie toll.
„Lola“ (GB 2022, Andrew Legge). Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich.
Als erster rauscht David Bowie aus der Zukunft herbei, Martha wird eine Wand im Haus mit vom Fernseher abfotografierten Bildern von ihm – und Bob Dylan und anderen – tapezieren. Außerdem ist es ein Leichtes, bei Pferdewetten erfolgreich zu sein, wenn man per Lola im Vorhinein die Ergebnisse kennt.
Nun sind das leicht verdiente Geld und der Rock und Pop späterer Zeiten gut und schön. Aber es ist 1941, Großbritannien also im Krieg, in dem deutsche Flugzeuge Angriffe fliegen. Schnell kommen die beiden darauf, den Nachrichten aus der Zukunft Informationen über Hitlers nächste Attacken zu entnehmen.
Sie verbreiten die so gewonnenen Daten, nutzen dabei, technisch stets ingeniös, das Gasleitungssystem als Radiowellenverbreiter und werden als die unbekannten Engel von Portobello berühmt. Ungezählte Menschen kommen mit dem Leben davon, weil sie über Ort und Zeit der deutschen Angriffe vorab informiert sind.
Gerettete britische Leben und das leicht verdiente Geld und der Rock und Pop späterer Zeiten und für Martha auch der Sex mit dem britischen Officer, der ihnen zuletzt doch auf die Schlichte gekommen ist, sind das eine. Aber jede Kennerin der Science-Fiction weiß, dass man bei Zeitreisen nicht ungestraft in den Verlauf der Ereignisse eingreift. Wer so massiv wie die beiden die Dinge verändert, sorgt etwa dafür, dass manch einer gar nicht erst auf die Welt kommt.
David Bowie ist weg
Der erste Schreck beim Blick auf das alternativweltliche Jahr 1973: David Bowie ist weg und durch einen furchtbaren Typen namens Reginald Watson ersetzt. Und das ist weiß Gott erst der Anfang, weil die Dinge immer schrecklichere Wendungen nehmen. Der Rock und Pop und die ganze Zukunft sind gar nicht mehr gut und gar nicht mehr schön.
Es geht alles sehr schnell. Regie-Debütant Andrew Legge hat eine Menge Ideen und Pointen und jede Menge Weltgeschichte in seinen Achtzigminüter gepackt. Nicht immer kommt man gleich hinterher. Was auch an der Form liegt, denn die ist einigermaßen unkonventionell.
Der Film ist schwarz-weiß, zum Teil mit einer alten 16-mm-Kamera gedreht, sehr viel dokumentarisches Found-Footage-Material nahtlos dazwischengemixt, voller Ellipsen, schräger Handkamerabilder, ein ziemliches Schnipselgewitter, manchmal sieht man lange Sekunden nur Füße und Boden. Diese Form ist durch eine weitere clevere Pointe motiviert, aber die verrät man besser nicht.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Lola“
„Lola“ ist ein Experimentalfilm, der sich vom Zeitreise- ins Alternativwelten-Genre bewegt. Der ernsten moralischen Fragen begegnet wie der, ob man eine große Zahl von Menschen opfern darf, um eine viel größere Zahl von ihnen zu retten. Der diese Fragen schon ernst nimmt, aber dann kommt immer gleich die nächste Idee. Und das Tragische ist meist von einer gewissen Komik nicht frei.
Besonders im hinreißenden Umgang mit Rock und Pop. Ziemlich grandios imaginiert der Film eine Fascho-Pop-Zukunft mit Reginald Watson, bei der einem das Blut in den Adern gefriert. Dringende Bitte an die Vergangenheit: Die Zukunft will Bob Dylan und David Bowie zurück!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz