piwik no script img

Schwul-lesbische Eintracht im Kino

■ Verleihung der„Ursulas“ beendet lesbisch-schwule Filmtage   von Werner Hinzpeter

Von der Tellerwäscherin zur Millionärin hat es auch bei den Lesbisch-Schwulen Filmtage niemand geschafft. Immerhin brachte es ein Video-Anfängerinnenkurs zum Filmpreis. 14 mehr oder weniger homosexuelle Kuzfilme waren für den Publikumspreis namens Ursula nominiert, und zum besten lesbischen Amateurfilm wurde Die Pärchenlüge von Beate Middeke gewählt, ein munterer Erstling aus Bielefeld nach dem gleichnamigen Song der Berliner Frauengruppe Lassie-Singers (Motto: „Pärchen verpißt euch, keiner vermißt euch“).

Ein Preis für den besten schwulen Film schien in diesem Jahr kaum angebracht. Bei einer mäßigen bis schwachen Auswahl blieb nur die Suche nach dem Erträglichen. Dem musikalisch unterlegten Stummfilm Stolen Tango des Amerikaners David Moore reichten 73 von 495 abgegebenenStimmen für die Trophäe, einer mit Fantasy-Fummel aufgemotzten Barbie-Puppe. Der „gestohlene Tango“ erzählt von der überraschenden Leidenschaft eines Beraubten für den Räuber.

Der von den Blendenden Schönheiten moderierte Wettbewerb am Sonntag krönte die vierten Lesbisch-Schwulen Filmtage, die seit Mittwoch die Projektoren des Metropolis und des Kinos 3001 kaum stillstehen ließen. Auch in diesem Jahr wurden dabei erstaunliche Funde präsentiert.

Eines dieser Kabinettstücke war Glen or Glenda zum Themenschwerpunkt Transsexualität, ein sehenswert schlechter Versuch aus dem Jahr 1952, liberal zu sein. Die Filme zum Schwerpunkt verdeutlichten die sehr unterschiedlichen Sichtweisen zu demSpannungsgefühl, in einem Körper des „falschen“ Geschlechts zu leben. Die reichten vom Kitsch (Second Service) über unterschwellige Moralisierung (Traum Frau) bis zu gut gemeintem Schlafzimmer-Voyeurismus (Linda/Les and Annie). Der Tenor der meisten Filme war die unsinnige Erkenntnis, transsexuelle Menschen hätten die Geschlechtsumwandlung erst dann verdient, wenn sie mehrere Selbstmordversuche hinter sich haben.

Wer schon immer einmal Pornos sehen wollte, sich aber bisher weder in einschlägige Kinos noch in entsprechende Ecken von Videotheken traute, konnte bei den Filmtagen Einiges nachholen. Die Pornoproduzentin Susie Bright präsentierte 18 Ausschnitte aus ihren Lieblingspornos. „Wir alle machen Sex, aber die einzigen, die öffentlich darüber reden, sind Rechtsanwälte, bigotte Leute und Ärzte,“ moderierte die Sexpertin. Zu diesen Kategorien zählt sie selber kaum, dennoch nahm sie kein Blatt vor den Mund. Nun wissen alle, wie eine Frau ejakuliert und ein Mann seinen Penis mit Hilfe einer Schiffsreinigungs-Pumpe fast bis auf Oberschenkellänge vergrößern kann.

Neben solcher praktischen Lebenshilfe gaben die Lesbisch-schwulen Filmtage, die von fast 6.000 Leuten besucht wurden, in diesem Jahr auch Zeugnis davon, daß sich Homosexuelle über Geschlechtergrenzen hinweg auch ganz gut miteinander amüsieren können.

Werner Hinzpeter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen