Schwimmweltmeisterin über Politik: „Immun gegen Shitstorms“
Antje Buschschulte will in den Magdeburger Landtag. Gegen die AfD, für Digitalisierung, und mit der Erfahrung einer Spitzenschwimmerin.
taz: Frau Buschschulte, warum wollen Sie eigentlich in den Landtag von Sachsen-Anhalt?
Antje Buschschulte: Ich bin bei den Grünen eingetreten, weil ich nach der Thüringer Landtagswahl gesehen habe, dass das mit der AfD kein Ausrutscher ist. Ich dachte mir: Das kann nicht sein.
Muss es gleich der Landtag sein? Es gibt ja auch andere Formen politischen Engagements.
Das ist ja erst mal der Grund, warum ich bei den Grünen eingetreten bin. Die Kandidatur hat sich dann beinah so ergeben. Die Landtagswahl steht an, und in dem Thema, in dem ich mich tummele, Digitalisierung, gibt es viel, was man in Sachsen-Anhalt noch machen kann. Ich wäre gerne auch an den Entscheidungen direkt beteiligt.
Ist der Landtag da nicht eine zu kleine Bühne?
Ich weiß auch, dass man im Landtag nicht die Welt retten kann, aber er ist ein wichtiger Zeil des demokratischen Systems. Ich denke, dass es eine Möglichkeit ist, aktiv zu werden. Und die Grünen sind ja eine sehr offene Partei, gerade für Frauen. Da war es erstaunlich einfach.
Sie stehen auf Platz neun der Liste. Rechnen Sie mit einem Mandat?
Es müsste schon sehr gut laufen. Bei der letzten Wahl hatten wir in Sachsen-Anhalt fünf Prozent. Wir standen eher in der Ökonische, weniger in der bürgerliche Mitte. Es müssten so etwa zehn Prozent werden, damit ich reinkomme. Aber der Bundestrend ist ja recht positiv für die Grünen.
wurde als Schwimmerin 2-mal Weltmeisterin, 5-mal Europameisterin und gewann 3-mal Olympia-Bronze. Später arbeitete die promovierte Biologin in der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt.
Was können Sie gegen die AfD bewirken?
Es geht nur langfristig: Es geht um eine transparente und verlässliche Politik, die diejenigen Lügen straft, die behaupten, die da oben steckten eh aller unter einer Decke und seien bloß machtgeil. Aber wenn es um die Leute geht, die weit rechts stehen – dann ist es sehr schwierig. In jedem Fall aber hat es etwas mit Zivilcourage zu tun, dass man offensichtlichen Lügen entgegentritt. Mir ist nicht erst seit Corona wichtig, eine sachliche Diskussion zum Breitbandausbau, nachhaltiger Digitalisierung, zu moderner Bildung und über moderne Verwaltung zu führen und diesen Themen größere Priorität zu geben.
Was hat der Sport Ihnen mitgegeben, das Ihnen jetzt politisch wichtig ist?
Eine direkte Linie lässt sich nicht ziehen, im Sinne von: Die war gut im Sport, jetzt ist sie gut in der Politik. Aber Leistungssportler*innen haben ein gutes Zeitmanagement, trennen Wichtiges von Unwichtigem und bringen eine gewisse Belastungsfähigkeit mit – auch gegen Shitstorms.
Vermittelt der Sport auch eine Weltläufigkeit, die gegen die AfD immunisiert?
Ich kann mir schwer vorstellen, dass jemand, der sportlich herumgekommen ist, eine menschenfeindliche Anschauung wie die der AfD an den Tag legt.
Haben Sie den Fall Klete Keller in den USA mitbekommen?
Der Schwimmer? Nein, ich lese gar nicht so oft den Sportteil.
Keller hat 2004 und 2008 mit Freistil-Staffeln der Männer Gold gewonnen. Im Januar war er in Washington bei der Erstürmung des Kapitols dabei. Wie kann einer, der doch durch den Sport um die Welt gekommen ist, so wegkippen?
Den Schwimmer kenne ich, aber dass er bei der Kapitol-Stürmung dabei war, wusste ich nicht. Mein Mann sagt, dass er sich zur WM 2003 ihm gegenüber in Bezug auf den Irakkrieg schon abfällig über unseren „Pussy-Kanzler“ geäußert hat. Generell gilt natürlich, dass man Sportler*innen nicht über einen Kamm scheren kann. Ich habe meine Erfahrungen für mich so verarbeitet, wie ich es geschildert habe. Aber man kann auch mit Scheuklappen loslaufen und sich selbst und seine Nation unreflektiert für die Größten halten. Das ist offensichtlich möglich.
Wir erleben derzeit wieder eine Debatte, wie sehr sich Sportler*innen politisch einmischen sollen beziehungsweise dürfen. Von Ihnen war in Ihrer aktiven Zeit nicht viel Politisches zu hören.
Ich bin damit groß geworden, dass man keine politischen Äußerungen machen durfte, etwa T-Shirts mit Losungen tragen. Dafür wurde man disqualifiziert, siehe zum Beispiel Milorad Čavić. Innerhalb des Sports habe ich mich schon immer auch mit persönlichem Risiko für Mitsprache der Athletinnen und unsere Rechte, zum Beispiel für freie Materialwahl, eingesetzt. Ich habe den Sport auf Ebene der Athleten immer als politikfreien Raum wahrgenommen. Außenpolitik war und ist Aufgabe der Funktionär*innen. Unsere Aufgabe war es, fair und sauber Sport zu betreiben. Trotzdem fand ich es immer schade, dass wir so deutlich am Ende der Nahrungskette standen – obwohl wir ja die Leistungen erbracht haben.
Woran hat sich das gezeigt?
Ein Beispiel aus Peking 2008. Ich stand im Olympischen Dorf an einer Bushaltestelle, weil ich in die Stadt wollte. Da kamen die dicken Limousinen: Für jede*n Funktionär*in gab es ein Auto mit Fahrer oder Fahrerin. Eine Funktionärin stieg ins Auto ein, und wir haben gefragt, ob wir mitfahren dürfen, wir wollten ja auch in die Stadt. Nein, sagte sie, auf keinen Fall. Es war so ein Abkanzeln. Ich dachte, wir sind hier Mittel zum Zweck. Ein unschönes Gefühl.
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