Schwierigkeiten der CSU in Bayern: Seehofer will Stoibers Erbe beseitigen
Einst übermächtig, nun verunsichert: Um die CSU steht es nicht zum Besten. Der neue Chef Seehofer will deshalb das Erbe seines Vorgänger Stoiber wegräumen.
Wenn der neue CSU-Chef Horst Seehofer derzeit hinter verschlossenen Türen zu Parteifreunden spricht, ist nichts zu spüren von der Selbstsicherheit, die Bayerns Union sonst stets versprüht. "Wir nehmen seit fünf Jahren absolut an Stimmen ab", sagt Seehofer dann etwa. Es fehle der Partei am richtigen Personal, an Leuten mit eigener Meinung. Und auch bei der Wirtschaftspolitik habe die CSU dringend Nachholbedarf.
Seehofer und sein Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg wollen die Partei retten. Die Spitze soll wieder auf die Mitglieder hören, die Basis die Politik mitgestalten. "Wir wollen eine frische, freche, moderne Volkspartei sein", sagt Seehofer.
Sein Vorvorgänger Edmund Stoiber hatte die Volkspartei CSU zur Staatspartei gemacht. Er besetzte Parteiämter mit treuen Beamten und hörte statt auf die Nöte der Basis lieber auf die Empfehlungen seiner engen Berater. Bayern mit und ohne CSU-Parteibuch hatten nicht mehr das Gefühl, dass ihre Sorgen noch wahrgenommen wurden und wandten sich ab. Dieses Stoiber-Erbe soll verschwinden.
Derzeit wird ein siebenseitiger Fragebogen an alle Orts- und Kreisvorsitzenden verteilt. Die sollen ankreuzen, welche Gründe sie für die Verluste bei der Landtagswahl sehen. Zur Auswahl stehen etwa der "Politikstil der Partei im Allgemeinen" und die "Folgen der langen CSU-Alleinregierung". Die Partei trennte sich in dieser Woche von der Werbeagentur, die seit acht Jahren sämtliche Wahlkampagnen betreut hatte. Und am vergangenen Wochenende lud Seehofer zu drei Regionalkonferenzen in den fränkischen Parteibezirken. Die Franken sind noch immer sauer, weil ihr Mann, Günther Beckstein, von Seehofers Oberbayern als Ministerpräsident zum Rückzug gezwungen wurde.
So sitzen Seehofer und Guttenberg am Freitagabend in einem Saal am Rande von Erlangen. Als mit etwas Verspätung Günther Beckstein auftaucht, applaudieren 200 Mittelfranken minutenlang. Seehofer ergreift das Wort: "Wir haben die Wahl gemeinsam verloren." Er wirbt fast eine Stunde lang für seine Politik. Der Applaus ist höflich und kurz. Dann redet die Basis.
Eine Frau tritt zum Mikrofon und sagt: "Wir haben schon einen Großteil unserer Glaubwürdigkeit verloren." Ein Mann meint: "Wir sollten unsere Themen der Realität der Gesellschaft anpassen." Die Aussprache dauert fast drei Stunden. Irgendwann meldet sich Andreas Galster. Er ist Bürgermeister der Stadt Baiersdorf und wirft Seehofer vor: Eigentlich hätten die Menschen ja Günther Beckstein zum Ministerpräsidenten gewählt.
Als Galster den Saal verlässt, wirkt er resigniert. "Was ändert das?", fragt er. "Wir dürfen unsere Meinung sagen aber nichts passiert." Er erzählt, wie ihm der Zickzackkurs der Staatsregierung das Leben schwer macht. "Wir müssen als Kommunen endlich wissen, wie das Schulsystem in zehn Jahren aussieht", sagt Galster. Er würde gerne planen, welche Schulgebäude neu-, welche umgebaut werden müssen. Aber seine Partei macht ihm das nicht leicht.
"Die CSU wird einen großen Gewinn aus diesem Abend ziehen", meint Seehofer dennoch später. Und sein Generalsekretär Guttenberg sagt, man werde nun die Forderungen der Basis sammeln. "Aus dem Beschwerdemanagement muss auch ein Ideenmanagement werden", sagt Guttenberg.
Viele in der Partei zweifeln jedoch an der neuen Basisnähe. "Die Mitglieder werden eingebunden, aber sie können die Regierungsarbeit nicht beeinflussen", sagt der Chef der mittelfränkischen Jungen Union, Richard Seidler. Und Andreas Galster, der unzufriedene Bürgermeister droht: Man werde die Arbeit Seehofers genau beobachten. "Und wenn er den ersten Fehler macht, werden wir als erste den Finger heben."
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