piwik no script img

Schwierige Privatisierung

■ Bis zum 31. Dezember dieses Jahres sollen die ehemaligen LPGs in privates Eigentum überführt sein/ In Mecklenburg-Vorpommern haben sich bisher erst 635 Betriebe selbständig gemacht

Rostock. Mit sechs schottischen Galloway-Rindern aus einem schleswig-holsteinischen Zuchtbetrieb und 40 Hektar Land startete das Ehepaar Angelika und Thomas Pisch in Alt Reddevitz auf der Insel Rügen den Neubeginn privater Bauernwirtschaft. „Für die Gründung solcher Betriebe werden gute Konditionen geboten“, meinte Landwirt Pisch. Seine Wirtschaft werde sich auf Ackerbau, Rinder- und Pferdezucht spezialisieren. Dazu würden künftig für Touristen Reitstunden und Urlaub auf dem Bauernhof angeboten. Zusammen mit den Pischs haben sich weitere 25 Bauernfamilien auf der größten deutschen Insel zur Selbständigkeit entschieden. Die Wiedergeburt privater Höfe ist offensichtlich doch schwieriger, als von Politikern ursprünglich angenommen und erhofft. Bisher etablierten sich im Agrarland Mecklenburg- Vorpommern nur 635 solcher Betriebe. 303 private Unternehmen versprechen sich aus landwirtschaftlicher Arbeit einen Nebenerwerb. Diese Bilanz wurde kürzlich auf einer Fachtagung des Europa-Zentrums Rostock gezogen. Von eineinhalb Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, davon ein Drittel Wald, seien noch sechzig Prozent Eigentum von Genossenschaften oder ehemalige Staatsgüter und daher in Verwaltung der Treuhand. Die sucht nun alte Eigentümer und kann neue nicht so recht finden. Inzwischen drängt die Zeit; denn bis zum 31. Dezember soll die Privatisierung abgeschlossen sein. Dann verfallen die jetzt noch gültigen gesetzlichen Grundlagen für die LPGs. Deshalb wurde auf der Expertentagung zur Eile gemahnt. Dort stellte Geschäftsführer Dr. Hans Wilhelm Hoffmann vom Rostocker Landwirtschaftsamt in Erläuterungen zur Agrarpolitik der mecklenburgisch- vorpommerschen Landesregierung klar: Die Landwirtschaft der neuen Bundesländer mit ihren EG-fremden Strukturen müsse sich mit mehr Konsequenz auf die Marktwirtschaft einstellen.

In diesem Prozeß blieben bisher durch Konkurs 49 LPGs auf der Strecke. Weitere 22 Genossenschaften und zwischenbetriebliche Einrichtungen sind ohne Rechtsnachfolge in Auflösung. Der Ackerwirtschaft wurden Chancen eingeräumt, wenn sie sich zum verstärkten Anbau nachwachsender Rohstoffe entschließen kann. Dazu werde in erster Linie ertragreicher Raps als Energiespender für Motoren, Heizanlagen und als Basisprodukt für die Farbenindustrie gerechnet. Gefragt sei aber auch Braugerste, Hafer und Weizen. Roggen und Kartoffeln haben an Bedeutung verloren. Die Viehwirtschaft werde Zukunft haben, wenn sie bei Rindern auf 84 und bei Schweinen auf 71 Prozent der bisherigen Bestände zurückgehe. Die Schafherden sollten um die Hälfte reduziert werden, wurde vorgerechnet. Dietrich Grunzig (adn)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen