■ Nachschlag: Schwere Moral bei seichter Muzak: Nasida Rias aus Java im Tempodrom
Indonesien gilt als größtes islamisches Land der Erde. Damit das auch so bleibt, muß die Jugend des Landes beizeiten zur Tradition ermahnt werden. Das neunköpfige Frauen-Ensemble Nasida Ria hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit seiner Musik jungen Menschen den Pfad zum tugendhaften Leben zu weisen. Das bienengleiche Outfit der moralischen Mädels in knallgelben Kostümen und mit züchtigen schwarzen Kopftüchern harmonierte daher nicht nur farblich mit der Silhouette aus „Moschee mit Hochhäusern und Fernsehturm“ im Hintergrund der Tempodrom-Bühne; der lange Schatten der Minarette lag auch über den Songs. „Bleib standhaft, tu's nicht!“, so lautet der durchgängige Tenor ihres Pädagogik-Pops. Wahrscheinlich ganz gut, daß man die Texte nicht verstehen konnte – vielleicht war das Sendungsbewußtsein der Damencombo sogar der Grund, daß sich kaum Indonesier im Tempodrom blicken ließen.
Damit die Message besser mundet, hat die muslimische Girl- Group ihre Musik jedoch mit Raga-Rhythmen und einer kräftigen Portion süßem Synthie-Schmalz abgeschmeckt. Außerdem wurden noch diverse Anleihen bei indischen Filmsoundtracks abgeguckt. Musikalisch berufen sich Nasida Ria auf die islamische Tradition der Quasidah, gesungener religiöser Erzählungen, die von Percussion und Gesang begleitet werden. Quasidah Modern nennt sich die verpoppte Version dieser Erbauungsmusik, die mitunter verdächtig nach arabischem Schlager klingt. Doch auch wenn einige Stücke tatsächlich Ohrwurmcharakter besitzen – vieles gehört trotzdem eher zur Kategorie asiatische Muzak, wie sie durch einsame Hotellobbys oder Karaokebars von Hongkong bis Kuala Lumpur plätschert.
Leider war auch die Bühnenshow der Missionsschwestern nicht gerade aufregend: Zwar mochte manch kecker Hüftschwung für Fundi-Verhältnisse bereits äußerst gewagt erscheinen. Insgesamt aber tänzelten die Muslim-Girlies vorgestern eher brav und schüchtern über die Bühne wie ein Mädcheninternat beim Schulausflug. Mir wurde jedoch versichert, diese Zurückhaltung sei den geradezu eisigen Temperaturen zuzuschreiben, die die Musikerinnen aus Java einfach nicht gewohnt seien – sie froren schlichtweg. Wie auch immer, am Ende hatten sie sich doch noch warm gespielt und warteten zur Zugabe sogar mit echten Rock-Gitarrero-Posen auf. Daniel Bax
Heute ab 21.30 Uhr, Sonntag 16 Uhr, in den Zelten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen