piwik no script img

Schwere Auseinandersetzungen in Soweto

■ Mindestens fünf Menschen von der Polizei erschossen / Polizei setzt Tränengas ein / Aufruf zum Streik / Massenentlassung von 16.000 schwarzen Eisenbahn–Arbeitern hat begonnen

Johannesburg (afp/dpa) - Zu außerordentlich heftigen Auseinandersetzungen ist es am Mittwoch in Soweto gekommen, wo mehrere tausend Bewohner der Johannesburger Schwarzenvorstadt aus Solidarität mit den schon seit Wochen streikenden Transportarbeitern und zur Unterstützung eines Mietboykotts nicht zur Arbeit erschienen waren. In Johannesburg wurden nach einer Meldung der südafrikanischen Presseagentur SAPA fünf Schwarze, dem Vernehmen nach streikende Transportarbeiter, auf einem Bahnhof nahe dem Stadtzentrum erschossen. Nach anderen Berichten wurden sieben Eisenbahnarbeiter erschossen. Die rund 16.000 streikenden Transportarbeiter der Region Johannesburg sind einem Ultimatum der staatlichen Transportbetriebe am Mittwoch morgen nicht nachgekommen. Ihnen droht die Entlassung. In Soweto trieb die Polizei eine Menschenmenge vor dem Gebäude des schwarzen Stadtrats mit Tränengas auseinander und trug Barrikaden ab. Journalisten wurden von der Polizei vertrieben. Zu dem Arbeitsausstand in Soweto war mit anonymen Flugblättern aufgerufen worden. Der Slogan „Tod oder Sieg“, mit dem diese Flugblätter gezeichnet waren, läßt auf die Urheberschaft des Kongresses der südafrikanischen Jugend (SAYCO) schließen, der der Antiapartheidorganisation UDF nahesteht. Seit Beginn des Ausnahmezustands am 12. Juni 1986 sind in Südafrika öffentliche Streikaufrufe verboten. In zwei Bergwerken westlich von Johannesburg legten gleichzeitig 24.000 schwarze Kumpel aus Protest gegen angekündigte Entlassungen die Arbeit nieder. Die staatliche südafrikanische Transportbehörde SATS hat unterdessen mit der Entlassung von 16.000 schwarzen Eisenbahnern begonnen. Sie waren trotz eines Ultimatums nach sechswöchigem Ausstand auch am Mittwoch nicht zum Dienst erschienen. Ein SATS–Sprecher erklärte am Vormittag, seit Ablauf des Ultimatums um 8.00 Uhr werde eine Liste derjenigen erstellt, „die sich als entlassen betrachten können“. Nur etwa 2.000 SATS–Beschäftigte seien dem Aufruf gefolgt, den Ausstand zu beenden. Der Generalsekretär des einflußreichen Gewerkschaftsdachverbandes COSATU hat angekündigt, daß sich der bislang längste Konflikt im öffentlichen Dienst Südafrikas aufs ganze Land ausbreiten werde, falls die Transportbehörde ihre Drohung wahrmache und die Streikenden entläßt. Anlaß für den Streik war die Entlassung eines Arbeiters, der 40 Rand (36 Mark) unterschlagen haben soll. Durch den Ausstand, der Verluste in Millionenhöhe verursachte, wurden hauptsächlich Güterbahnhöfe in der Umgebung von Johannesburg lahmgelegt. Letzte Woche wurden bei einer Serie von Anschlägen auf Züge und Gleisanlagen mehr als 50 Waggons in Brand gesteckt, verletzt wurde niemand. Die Eisenbahnergewerkschaft hat den Vorwurf zurückgewiesen, daß Radikale unter den Streikenden dafür verantwortlich seien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen